Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Direktanspruch gegen Kfz-Haftpflichtversicherer nach verabredetem Verkehrsunfall

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach einem verabredetem Verkehrsunfall steht dem Geschädigten kein Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer des Unfallgegners zu. Der Direktanspruch setzt einen Schadensersatzanspruch gegen den Unfallgegner voraus, der sich in Fällen gestellter Unfälle mangels Rechtswidrigkeit der Rechtsgutverletzung nicht herleiten lässt.

2. Indizien für ein kollusives Zusammenwirken der Unfallparteien sind: eine nicht normale Geschwindigkeit der Unfallfahrzeuge, um einerseits das Unfallgeschehen leichter beherrschen und anderseits für lohnende Ersatzansprüche wegen entsprechender Schäden am Fahrzeug sorgen zu können, ein unterlassenes Bremsmanöver sowie ein werthaltiges Fahrzeug mit roten Kennzeichen beim Anspruchsteller und ein "Schrottfahrzeug" beim Unfallverursacher.

3. Die Rechtskraft des Urteils, durch das der Unfallgegner zum Schadensersatz verpflichtet wird, erstreckt sich nicht auf den mit verklagten Haftpflichtversicherer.

 

Normenkette

VVG § 115 Abs. 1 Nr. 1, § 124 Abs. 1-2; StVG §§ 7, 18; BGB § 823 Abs. 1; FZV § 16 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Landshut (Urteil vom 30.09.2016; Aktenzeichen 73 O 3421/14)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten zu 2) vom 03.11.2016 wird das Endurteil des Landgerichts Landshut vom 30.09.2016 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

I.Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 13.364,65 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 17.09.2014 zu bezahlen.

II.Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.029,35 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 10.01.2015 zu bezahlen.

III.Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV.Von den Gerichtskosten tragen der Kläger und der Beklagte zu 1) jeweils die Hälfte. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt der Beklagte zu 1) die Hälfte. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2). Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst. Die Beklagte zu 2) trägt die Kosten der Nebenintervention.

2.Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

3.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4.Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A.

Von einer Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

B.

I. Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung der Beklagten zu 2) hat in der Sache vollumfänglich Erfolg.

1.) Der Zulässigkeit der Berufung steht insbesondere auch nicht etwa der Umstand entgegen, dass mit dem Ersturteil rechtskräftig festgestellt worden ist, dass dem Kläger gegenüber dem Beklagten zu 1) ein Anspruch auf Schadensersatz zusteht. Denn die (teilweise) Rechtskraft des angefochtenen Urteils erstreckt sich mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 124 I VVG bzw. § 124 II VVG nicht auf die Beklagte zu 2). So wurde durch das Ersturteil weder festgestellt, dass dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz des Schadens nicht zusteht (§ 124 I VVG), noch wurde der Anspruch des Klägers gegenüber dem Versicherer, der Beklagten zu 2), rechtskräftig festgestellt (§ 124 II VVG). Im Übrigen bestehen zwar nach allgemeinem Versicherungsrecht Bindungswirkungen des Haftpflichturteils für den Deckungsprozess; Einwendungen des Versicherers aus dem Deckungsverhältnis sind dabei aber nicht ausgeschlossen (vgl. Knappmann in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 29. Aufl., VVG § 124, Rdnr. 10).

2.) Soweit der Beklagte zu 1) mit dem Ersturteil verurteilt worden ist, ist dies mangels Berufungseinlegung rechtskräftig geworden. Die Klage war aber, soweit sie sich gegen die Beklagte zu 2) richtet, d.h. im Übrigen, abzuweisen, weil sie zwar zulässig, aber unbegründet ist.

Die Klage gegen die Beklagte zu 2) ist unbegründet, weil dem Kläger zwar grundsätzlich gem. § 115 I 1 Nr. 1 VVG ein Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer zusteht, dieser Direktanspruch aber einen entsprechenden Schadensersatzanspruch gegen den Unfallgegner (Fahrer / Halter) voraussetzt und sich ein solcher in Fällen gestellter Unfälle - wie hier - weder aus §§ 7, 18 StVG noch aus § 823 I BGB mangels Vorliegens der gemeinsamen Anspruchsvoraussetzung der Rechtswidrigkeit der Rechtsgutverletzung herleiten lässt. Denn gestellten Unfällen liegt ein die Rechtswidrigkeit ausschließendes Einverständnis des Geschädigten in die Rechtsgutverletzung zu Grunde.

Der Senat ist aufgrund des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass dem - unstreitig sich tatsächlich ereignet habenden -streitgegenständlichen Verkehrsunfall eine Absprache zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) zu Grunde lag. Denn hierfür liegen Indizien vor, welche in lebensnaher Zusammenschau und praktisch vernünftiger Gewichtung den Schluss auf ein solches kollusiv...

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