Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Anspruch auf Schadensersatz aus einem gestellten Verkehrsunfall

 

Leitsatz (amtlich)

In Fällen gestellter bzw. provozierter Unfälle entsteht mangels Vorliegens der gemeinsamen Anspruchsvoraussetzung der Rechtswidrigkeit der Rechtsgutverletzung weder aus § 7 Abs. 1, § 18 Abs. 1 StVG noch aus § 823 Abs. 1 BGB ein Schadensersatzanspruch gegen den Unfallgegner, der gemäß § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG gegen den Haftpflichtversicherer geltend gemacht werden könnte. Denn gestellten bzw. provozierten Unfällen liegt ein die Rechtswidrigkeit ausschließendes Einverständnis des Geschädigten in die Rechtsgutverletzung zu Grunde.

 

Normenkette

VVG § 115 Abs. 1 Nr. 1; StVG § 7 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Passau (Urteil vom 27.10.2016; Aktenzeichen 1 O 315/15)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten zu 2) vom 02.12.2016 wird das Endurteil des Landgerichts Passau vom 27.10.2016 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

I. Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 5.203,10 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 13.02.2015 zuzüglich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 587,50 EUR zu bezahlen.

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen

III. Von den Gerichtskosten tragen die Klägerin 63% und der Beklagte zu 1) 37%. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt der Beklagte zu 1) 37%. Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) trägt die Klägerin 25%. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2). Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Von einer Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

I. B. Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung der Beklagten zu 2) hat in der Sache vollumfänglich Erfolg.

1.) Der Zulässigkeit der Berufung steht insbesondere auch nicht etwa der Umstand entgegen, dass mit dem Ersturteil rechtskräftig festgestellt worden ist, dass der Klägerin gegenüber dem Beklagten zu 1) ein Anspruch auf Schadensersatz zusteht. Denn die (teilweise) Rechtskraft des angefochtenen Urteils erstreckt sich mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 124 I VVG bzw. § 124 II VVG nicht auf die Beklagte zu 2). So wurde durch das Ersturteil weder festgestellt, dass der Klägerin ein Anspruch auf Ersatz des Schadens nicht zusteht (§ 124 I VVG), noch wurde der Anspruch der Klägerin gegenüber dem Versicherer, der Beklagten zu 2), rechtskräftig festgestellt (§ 124 II VVG). Im Übrigen bestehen zwar nach allgemeinem Versicherungsrecht Bindungswirkungen des Haftpflicht-urteils für den Deckungsprozess; Einwendungen des Versicherers aus dem Deckungsverhältnis sind dabei aber nicht ausgeschlossen (vgl. Knappmann in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 29. Aufl., VVG § 124, Rdnr. 10).

2.) Soweit der Beklagte zu 1) mit dem Ersturteil verurteilt und soweit die Klage gegen den Beklagten zu 1) im Übrigen abgewiesen worden ist, ist dies mangels Berufungseinlegung rechtskräftig geworden.

Das Ersturteil war allerdings gem. §§ 525 S.1, 319 I ZPO dahingehend zu berichtigen, dass es im Tenor zu I. statt "Rechtsanwaltskosten in Höhe von 666,40 EUR" heißen muss: Rechtsanwaltskosten in Höhe von 587,50 EUR. Denn insoweit liegt eine offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 319 I ZPO vor. Unrichtig i.S.d. § 319 I ZPO ist der o.g. Tenor, weil sich die vorprozessualen Anwaltskosten gem. der Berechnung des Klägervertreters in seiner Kostennote vom 30.01.2015 (Anlage K6) und unter Zugrundelegung eines Gegenstandswertes von 5.203,10 EUR (vgl. S. 7/8 des Ersturteils = Bl. 141/142 d.A.), nicht auf 666,40 EUR, sondern nur auf 587,50 EUR belaufen (nämlich 1,3 Geschäftsgebühr i.H.v. 460,20 EUR zuzüglich Kosten für Kopien i.H.v. 13,50 EUR zuzüglich Pauschale i.H.v. 20,00 EUR zuzüglich 19% Umsatzsteuer). Offenbar i.S.d. § 319 I ZPO ist die Unrichtigkeit, weil sich der zutreffende Betrag (587,50 EUR) in den Entscheidungsgründen findet (vgl. EU S. 8 = Bl. 142 d.A.). Zuständig für die Berichtigung ist im Berufungsverfahren auch das Berufungsgericht (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 319, Rdnr. 22 m.w.N.).

3.) Die Klage war, soweit sie sich gegen die Beklagte zu 2) richtet, d.h. - über die o.g. rechtskräftige teilweise Abweisung hinaus - im Übrigen, abzuweisen, weil sie zwar zulässig, aber unbegründet ist.

Die Klage gegen die Beklagte zu 2) ist unbegründet, weil der Klägerin zwar grundsätzlich gem. § 115 I 1 Nr. 1 VVG ein Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer zusteht, dieser Direktanspruch aber einen entsprechenden Schadensersatzanspruch gegen den Unfallgegner (Fahrer / Halter) voraussetzt und sich ein solcher in Fällen gestellter bzw. provozierter Unfälle - wie hier - weder aus §§ 7 I, 18 I StVG noch aus § 823 I BGB...

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