Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 25 O 8917/14)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 30.07.2014 wie folgt abgeändert:

Der Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten - Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann - untersagt, den Verfügungskläger als glühenden Antisemiten zu bezeichnen, wenn dies geschieht wie in der Sendung "Kulturzeit" auf 3SAT am 17.04.2014.

II. Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

Gründe

(abgekürzt nach § 540 Abs. 2, § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO)

Auf die nach §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO zulässige Berufung des Verfügungsklägers war das angegriffene Urteil aufzuheben und dem Antrag des Verfügungsklägers stattzugeben.

I. Die Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 26.05.2014 war nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Vollziehungsfrist der §§ 963, 929 Abs. 2 ZPO nicht eingehalten wurde.

1. Im vorliegenden Fall wurde die Antragsschrift vom 07.05.2014 der Verfügungsbeklagten am 15.05.2014 zugestellt zusammen mit einer gerichtlichen Verfügung, wonach sie innerhalb von vier Tagen zu dem Antrag Stellung nehmen konnte. Mit Schriftsatz vom 21.05.2014 bestellte sich der Prozessbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten, beantragte die Zurückweisung des Verfügungsantrags und nahm inhaltlich dazu Stellung. Eine weitere ausführlichere Stellungnahme vom 30.05.2014 ging erst nach Erlass der einstweiligen Verfügung bei Gericht ein. Die vierseitige einstweilige Verfügung vom 26.05.2014 enthält in Ziffer 4. des Beschlusstenors folgende Anordnung: "Mit dem Beschluss sind zuzustellen: Antragsschrift vom 07.05.2014 samt Anlage ASt1, eidesstattliche Versicherung der ... vom 30.04.2014, eidesstattliche Versicherung des ... vom 01.05.2014". Der Beschluss wurde der Verfügungsbeklagten vom Verfügungskläger unstreitig am 30.05.2014 im Wege der Parteizustellung zugestellt, ohne dass ihm die Antragsschrift oder sonstige Anlagen beigefügt waren.

2. Dies reicht im vorliegenden Fall für eine ordnungsgemäße Zustellung gemäß §§ 936, 922 Abs. 2 ZPO aus, die Voraussetzung für die Wirksamkeit der einstweiligen Verfügung und der Fristwahrung gemäß §§ 936, 929 Abs. 2 ZPO ist (Zöller/Vollkommer ZPO 29. Aufl. § 929 Rn. 13).

a. Die Vorschrift des § 929 Abs. 2 ZPO dient dem Schutz der Schuldner, die nicht unbefristet einer drohenden Zwangsvollstreckung ausgesetzt sein sollen. Deshalb wird dem Gläubiger angesonnen, dass er gegenüber dem Schuldner auf formalisierte Weise innerhalb der gesetzlichen Frist klarstellt, dass er die vom Gericht erlassene einstweilige Verfügung zwangsweise durchsetzen will (OLGR Köln 2004, 292 m. w. N.). Stellt der Gläubiger den Gerichtsbeschluss in seiner vollständigen Fassung zu, so macht er hinreichend deutlich, dass er im Wege der Zwangsvollstreckung aus der Entscheidung unter Inkaufnahme der sich aus § 945 ZPO ergebenden Risiken vorgehen will.

Zwar herrscht in der obergerichtlichen Rechtsprechung die Ansicht vor, dass eine Vollziehung im Sinne des § 929 Abs. 2 ZPO die Zustellung weiterer Schriftstücke erfordert, auch wenn sie nicht Bestandteil des Verfügungstenors geworden sind, sofern in der Verfügungsentscheidung des Gerichts die Wirksamkeit der Zustellung ausdrücklich von der Zustellung auch dieser weiteren Schriftstücke abhängig gemacht ist (OLG Nürnberg GRUR 1992, 564; OLG München NJW RR 2003, 1722). Die Möglichkeit, im Beschlussverfahren ohne Anhörung des Antragsgegners (§ 937 Abs. 2 ZPO) und ohne Begründung der Entscheidung (§§ 936, 922 ZPO) eine einstweilige Verfügung zu erlassen, kann es nämlich erfordern, dass das Gericht die Wirksamkeit der Zustellung der einstweiligen Verfügung von der Zustellung von Schriftsätzen abhängig macht, um den Antragsgegner mit Zustellung der Beschlussverfügung vom Vortrag des Antragstellers zuverlässig in Kenntnis zu setzen, damit dieser sich über das vorgetragene Tatsachenmaterial einen ausreichenden Überblick verschaffen kann. Das Fehlen der Anlagen kann nämlich, jedenfalls bei einer aus sich heraus schwer verständlichen Beschlussverfügung, geeignet sein, die Entscheidung des Antragsgegners, gegen die Einstweilige Verfügung vorzugehen oder sie hinzunehmen, zu beeinflussen (Senat, Urteil vom 20.12.2011 - 18 U 4927/11).

b. Im vorliegenden Fall hat das Landgericht die Antragsschrift mit Anlagen nicht zum Bestandteil seines Beschlusses gemacht, wie es etwa in Wettbewerbsangelegenheiten häufig der Fall ist, wenn der Inhalt der Untersagung erst aus einer Abbildung hervorgeht, die in den Beschluss- oder Urteilstext nicht eingefügt, sondern der Entscheidung unter entsprechender Verweisung im Tenor nur angeheftet wird. Zwar hat das Landgericht in seinem Beschluss wegen des Sachverhalts auf die Antragsschrift sowie die damit vorgelegten Unterlagen Bezug genommen (BI. 13 d. A.). Inhalt und Umfang der Unterlassungspflicht ergeben sich aber...

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