Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebung und Zurückverweisung wegen eines grob mangelhaften Ersturteils in einem Dieselverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Die Zurückverweisung an das Erstgericht entsprechend § 538 Abs. 2 ZPO ist auch dann zulässig, wenn das angefochtene Urteil in Tatbestand und Entscheidungsgründen grob verfahrensfehlerhaft ist und es deshalb keine taugliche Grundlage für ein Berufungsverfahren nach der Konzeption des Reformgesetzgebers darstellt.

 

Normenkette

BGB § 826; ZPO §§ 313, 538 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG München II (Urteil vom 25.10.2021; Aktenzeichen 14 O 3705/20)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts München II, 14. Zivilkammer (Einzelrichter), vom 25.10.2021 einschließlich des zugrunde liegenden Verfahrens aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die sonstigen Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 6.000.- EUR festgesetzt.

V. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Berufungsverfahren wird abgesehen.

 

Tatbestand

Tatsächliche Feststellungen

Der Tatbestand des angefochtenen Urteils lautet:

"Der Kläger macht Ansprüche im Zusammenhang mit dem sog. Dieselskandal geltend.

Der Kläger kaufte am 23.07.2013 den von der Beklagten hergestellten, im Versäumnisurteil vom 10.12.2020 näher bezeichneten Pkw. In diesem war ein von der Konzernschwester der Beklagten, der Volkswagen AG, entwickelter und hergestellter Motor des Typs EA189 verbaut, der eine unzulässige Vorrichtung zur Abgasmanipulation enthielt, was zum Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt führte.

Der Kläger behauptet, die Beklagte habe aufgrund der engen Entwicklungszusammenarbeit mit der Volkswagen AG um die unzulässige Manipulation gewusst und den Kläger vorsätzlich sittenwidrig getäuscht und geschädigt, welcher den Pkw bei Kenntnis nicht gekauft hätte. Er macht Schadensersatz geltend in Höhe des Kaufpreises."

Sodann folgt die Darstellung der Prozessgeschichte zu den Versäumnisurteilen (das Landgericht hat am 10.06.2020 ein klagezusprechendes Versäumnisurteil gegen die Beklagte erlassen (Bl. 264 d.A.), das es mit weiterem Versäumnisurteil vom 17.06.2021 gegen den Kläger aufgehoben hat, Bl. 353 d.A.) und der Anträge, gefolgt von folgendem Satz zum Beklagtenvortrag:

"Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung."

Die nachfolgenden Gründe des angefochtenen Urteils lauten:

"Das Versäumnisurteil vom 17.06.2021 ist aufrechtzuerhalten, da die zulässige Klage unbegründet ist, § 343 ZPO.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch, insbesondere aus § 826, 823 Abs., 2, 852, 280 ff. BGB zu.

Eine Kenntnis der Beklagten hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt, so dass eine sekundäre Darlegungslast derselben nicht zum Tragen kommt. Die bloße Entwicklungszusammenarbeit genügt hierfür ebenso wenig wie die Konzernverbundenheit, die nicht zu einer Kenntniszurechnung über § 31, 278, 831 BGB, je auch analog, führt.

Überdies ist der Anspruch auch verjährt."

Weitere, konkretere Feststellungen enthält das angefochtene Urteil, auf das Bezug genommen wird, nicht. Die Verfahrensakte umfasste zur Zeit der Entscheidung des Landgerichts ca. 500 Blatt, wobei sich der Kläger dort umfangreich zur angeblichen Verantwortlichkeit der Beklagten äußerte.

Mit der Berufung wiederholt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge. Er rügt u.a., dass das Urteil des Landgerichts keine ausreichende Begründung enthalte und deshalb nur spekuliert werden könne, was das Ausgangsgericht meine. Sodann wiederholt die Berufungsbegründung auf 55 Seiten ihren erstinstanzlichen Vortrag u.a. zur angeblichen Kenntnis der Beklagten vom Vorhandensein der unzulässigen Abschalteinrichtung und deren Verantwortlichkeit hierfür.

Mit Verfügung vom 16.12.2021 wurden die Parteien darauf hingewiesen, der Senat teile die Auffassung der Berufung, dass das angefochtene Urteil keine brauchbare Grundlage für ein Berufungsverfahren darstelle und deshalb angeregt werde, die Zurückverweisung an das Landgericht zu beantragen und Einverständnis mit schriftlicher Entscheidung zu erklären.

Der Kläger beantragte daraufhin die Zurückverweisung an das Landgericht im schriftlichen Verfahren.

Die Beklagte erklärte sich mir der vom Senat vorgeschlagenen Vorgehensweise einverstanden und stimmte einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren ebenfalls zu.

Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Der Rechtsstreit war auf den zuletzt übereinstimmenden Antrag bzw. Wunsch der Parteien zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 538 Abs. 2 ZPO analog).

1. Das Verfahren im ersten Rechtszug leidet an wesentlichen Mängeln (vgl. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), weil das angefochtene Urteil entgegen § 313 ZPO keinen ausreichenden Tatbestand und keine a...

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