Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 10.03.2017; Aktenzeichen 3 O 24975/14)

 

Tenor

1. Das Beschwerdeverfahren wird vom Senat übernommen.

2. Die sofortige Beschwerde der Kläger gegen das Zwischenurteil des LG München I vom 10.03.2017, Az. 3 O 24975/14, wird zurückgewiesen.

3. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

4. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 168.901,76 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Am 29.01.2016 verkündete das LG München I einen Beweisbeschluss, nach dem in dem Rechtsstreit ... GmbH gegen ... AG Beweis erhoben werden sollte "über die Behauptungen der Klagepartei zu Ablauf und Inhalt des Beratungsgesprächs hinsichtlich des streitgegenständlichen Zinssatz- und Währungsswaps (Abschluss 27.02.2008) durch Vernehmung des Zeugen ... " (Bl. 191/192). Der Zeuge ... teilte daraufhin mit Schreiben vom 23.02.2016 mit (Bl. 195), dass er mit ... (dem Kläger zu 1) "in gerader Linie verwandt und verschwägert" sei, da dieser mit seiner Schwester verheiratet sei. Er berufe sich daher auf sein Zeugnisverweigerungsrecht aus § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Am 06.05.2016 teilte er mit, er sei nunmehr zu einer Aussage bereit (Bl. 238). Nachdem das LG einen neuen Termin zur Beweisaufnahme auf 13.07.2016 bestimmt hatte (Bl. 239), berief sich der Zeuge mit Schreiben vom 06.07.2016 erneut auf sein Zeugnisverweigerungsrecht und verwies auf die umfassende Aussage, die er in einem Parallelverfahren vor dem LG Augsburg gemacht habe (Bl. 256). Die Kläger stimmten der Verwertung des Protokolls aus dem Verfahren vor dem LG Augsburg unter der Bedingung zu, dass auch die Angaben des gegenbeweislich von der Beklagten angebotenen Zeugen ... nur aus dem Protokoll verwertet würden (Bl. 258); die Beklagte stimmte einer Verwertung nicht zu (Bl. 261/262). Mit Schriftsatz vom 08.09.2016 (Bl. 264) bestanden die Kläger auf der Einvernahme des Zeugen ... und beantragten vorsorglich einen Zwischenstreit im Sinne von § 387 ZPO. Sie sind der Ansicht, dass § 385 Abs. 1 Nr. 4 ZPO mit "Handlungen" auch die damit im Zusammenhang stehenden Wahrnehmungen meine, die der Zeuge gemacht habe, und stützen sich dabei auf die nach ihrer Bewertung überwiegende Meinung der Kommentarliteratur. Da der Zeuge in dem Parallelverfahren vor dem LG Augsburg ausgesagt habe, sei außerdem dessen Schutzwürdigkeit entfallen.

Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08.02.2016 erließ das LG München I am 10.03.2017 das angefochtene Zwischenurteil, in dem es die Zeugnisverweigerung des Zeugen ... für rechtmäßig erklärte (Bl. 284/290). Ihm stehe ein Zeugnisverweigerungsrecht aufgrund seines Verwandtschaftsverhältnisses mit dem Kläger zu 1) zu. Dieses beziehe sich analog § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auch auf die Klägerin zu 2), da sich der Zeuge gegenüber einer juristischen Person, die von einem nahen Angehörigen vertreten werde, in einem ähnlichen Konflikt zwischen Wahrheitspflicht und familiärer Rücksichtnahme befinde. Auch die Ausnahmevorschrift des § 385 Abs. 1 Nr. 4 ZPO mache die Zeugnisverweigerung nicht unrechtmäßig. Denn von dieser Ausnahme seien nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nur Handlungen des Zeugen erfasst, nicht aber dessen Wahrnehmungen, die vorliegend jedoch den Beweisgegenstand bildeten. Unerheblich sei, dass die Schwägerschaft mit dem Kläger zu 1) zerrüttet sei.

Gegen das am 16.03.2017 zugestellte Zwischenurteil richtet sich die sofortige Beschwerde der Kläger vom 28.03.2017, eingegangen am selben Tage (Bl. 292/294). Sie nehmen Bezug auf ihren Schriftsatz im Zwischenrechtstreit und die dort zitierte Kommentarliteratur zur Auslegung des § 385 ZPO. Hilfsweise beantragen sie, die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Das LG hat mit Beschluss vom 30.03.2017 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 295b/297). Die Beklagte verteidigt das Zwischenurteil. Sie ist der Ansicht, dem Zeugen stünde auch dann insgesamt ein Aussageverweigerungsrecht zu, wenn im Verhältnis zur Klägerin zu 2) die Ausnahmevorschrift des § 385 Abs. 1 Nr. 4 ZPO greifen würde. Einer erneuten Anhörung des Zeugen im Beschwerdeverfahren bedurfte es nicht, da die bestätigte Entscheidung des LG seinem Antrag entspricht.

II. Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

1. Der Zeuge hat ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, weil er als dessen Schwager mit dem Kläger zu 1) in der Seitenlinie im ersten Grad verschwägert ist (§§ 1590 Abs. 1, 1589 Abs. 1 S. 2 BGB). Bereits deshalb hat er das umfassende Recht, die Aussage zu verweigern. Unabhängig von einem eigenen Zeugnisverweigerungsrecht unter dem Gesichtspunkt der Schwägerschaft mit dem vertretungsberechtigten Organ der Klägerin zu 2) aus § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO analog (vgl. BGH, Beschluss vom 29.09.2015, XI ZB 6/15, Rn. 9) bezieht sich dieses Recht auch auf die Klägerin zu 2) als Streitgenossin, weil die Beweisfrage, der Sachverhalt, über den der Zeuge aussagen soll, auch den Rechtsstreit seiner Angehörigen unmittelbar betrifft (MüKoZPO/Damrau, 5. Aufl. 20...

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