Verfahrensgang

AG München (Aktenzeichen 513 F 6300/18)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Beschwerde betrifft die Frage, ob bei einer Kindschaftssache - hier: Umgangsrecht - für den Rechtsanwalt eine fiktive Terminsgebühr im Sinne von VV-RVG Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 entstehen kann, weil § 155 Abs. 2 Satz 1 FamFG eine verbindliche "Erörterung" anordnet.

In dem vorliegenden Verfahren betreffend das Umgangsrecht mit den Kindern der Parteien hat das Amtsgericht am 07.02.2019 eine Sachentscheidung zu Gunsten des prozesskostenhilfeberechtigten Antragsgegners getroffen. Ein Erörterungstermin gemäß § 155 Abs. 2 Satz 1 FamFG hatte dabei nicht stattgefunden.

Die Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners und nunmehrige Beschwerdeführerin macht eine Terminsgebühr im Sinne von VV-RVG Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 mit der Begründung geltend, auch ein Erörterungstermin gemäß § 155 Abs. 2 Satz 1 FamFG falle unter den Begriff der "mündlichen Verhandlung" im Sinne dieser Bestimmung. Ein Unterschied zwischen "erörtern" und "mündlich verhandeln" sei "nicht ansatzweise nachvollziehbar". Es sei "absurd", auf begriffliche Unterschiede abzustellen; soweit "Gerold/Schmidt" im "Brustton der Überzeugung" eine andere Auffassung vertreten würden, seien die entsprechenden Versuche "untauglich". Es sei gerichtsbekannt, dass dem Gesetzgeber in der Vergangenheit bereits einige Redaktionsversehen unterlaufen seien, weshalb es "Haarspalterei zu Lasten der Anwälte" wäre, begrifflich zwischen mündlicher Verhandlung und Erörterungstermin zu unterscheiden. Schließlich habe auch das Amtsgericht von "mündlicher Verhandlung" gesprochen.

Die Rechtspflegerin wies den Festsetzungsantrag unter Verweis auf die Kommentierung von Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 23. Aufl., VV Nr. 3104 Rn. 33 zurück. In ihrer Erinnerung hiergegen führt die Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners im Wesentlichen aus, die die Einschlägigkeit von VV-RVG Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 ablehnende Rechtsprechung folge offenbar allein "fiskalischen Interessen", möglicherweise "um die ausufernden Kosten für Verfahrensbeistände und familienpsychologische Gutachten irgendwie unter Kontrolle zu halten"; es liege nahe, die Kosten für Verfahrensbeistände "irgendwo anders wieder einzusparen". Hierfür würden sich die Anwaltsgebühren geradezu anbieten. So gestehe die Rechtsprechung etwa den Verfahrensbeiständen die Pauschale pro Kind zu, ohne dass dies gesetzlich zwingend vorgegeben sei, während sie in Honorarfragen der Anwälte "auffallend restriktiv" urteile.

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 05.04.2019 wies das Amtsgericht die Erinnerung zurück; zur Begründung zitiert es die Kommentierung von Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl., VV 3104 Rn. 33.

Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Verfahrensbevollmächtigte ihr Ziel der Festsetzung einer Terminsgebühr weiter: Zur Begründung führt sie insbesondere aus, das OLG Stuttgart habe in seinem Beschluss vom 14.09.2010 - 8 WF 133/10 ihre Auffassung geteilt. Es müsse auch auf das Maß der anwaltlichen Arbeit abgestellt werden, der Wortlaut des Gesetzes könne nicht allein maßgeblich sein: So habe der Gesetzgeber in VV-RVG Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 auch den Begriff "Vergleich" weiter verwendet ohne ihn durch den Ausdruck "Einigung" zu ersetzen; auf die Begründung im Einzelnen wird Bezug genommen.

II. Die gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3, 4 RVG zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg; die von der Beschwerdeführerin zitierte Auffassung, wonach unter "mündliche Verhandlung" im Sinne der genannten Gebührenziffer auch ein "Erörterungstermin" falle, wie sie etwa von Schneider in Schneider/Wolf, RVG, 8. Aufl., VV 3104 Rn. 29 vertreten wird, ist durchaus erwägenswert. Allerdings geben die diesbezüglichen Argumente dem Senat keinen Anlass, von seiner ständigen Rechtsprechung abzugehen (die den gesetzgeberischen Vorgaben mehr Gewicht beimisst als die Mindermeinung):

1. Soweit in der Beschwerde der herrschenden Meinung "Wortklauberei" mit dem Ziel, aus fiskalischen Gründen die "Anwaltshonorare zu deckeln etc." vorgeworfen wird, sind die diesbezüglichen Darlegungen nicht erwiderungsfähig bzw. -bedürftig.

2. Überlegenswert allerdings ist die Ansicht von Schneider, a.a.O., wonach es "nicht einzusehen" sei, wieso für die Anwälte ein Anreiz geschaffen werde, in Familienstreitsachen den obligatorischen gerichtlichen Termin entbehrlich zu machen, in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit - wie hier - den obligatorischen Erörterungstermin aber nicht (a.a.O., Rn. 29).

Mit der ganz herrschenden Meinung ist der Senat jedoch der Auffassung, dass in der vorliegenden Auslegungsfrage der klare Gesetzeswortlaut nicht übergangen werden kann, weshalb an der ständigen Rechtsprechung festgehalten wird (vgl. zuletzt Beschluss vom 25.03.2019 - 11 WF 1470/18; Beschl. v. 07.07.2014 - 11 WF 919/14; Beschl. v. 24.01.2012 - 11 WF 126/12, = Fam-RZ 12, 1582).

a) Soweit teilweise Ausführungen des BGH zu dieser Frage angeführt werden, erscheint dies nicht zwingen...

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