Entscheidungsstichwort (Thema)

Terminsgebühr in Kindschaftssachen bei verfahrenserledigender Vereinbarung ohne Erörterungstermin

 

Leitsatz (amtlich)

Hat in einem den Umgang betreffenden Verfahren ein Anhörungs- oder Erörterungstermin tatsächlich nicht stattgefunden, wird die Terminsgebühr im Falle eines schriftlichen Vergleichabschlusses nicht nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV ausgelöst (Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 14.12.2009 - 10 WF 358/09, FamRZ 2011, 590 f.; entgegen OLG Stuttgart - Beschl. v. 14.9.2010 - 8 WF 133/10, FamRZ 2011, 591 f.).

 

Normenkette

RVG-VV Nr. 3104

 

Verfahrensgang

AG Hannover (Beschluss vom 08.07.2011; Aktenzeichen 617 F 631/11)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG).

 

Gründe

I. Im vorliegenden Verfahren erstrebte der Antragsteller den gerichtlichen Ausschluss des persönlichen Umgangs des in seiner Obhut lebenden gemeinsamen Sohnes N. mit der Kindesmutter und Antragsgegnerin. Das AG hat ihm für das Verfahren Verfahrenskostenhilfe (VKH) unter Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten bewilligt und für das Kind gem. § 158 Abs. 1 FamFG einen Verfahrensbeistand bestellt.

Nachdem dieser mit allen Beteiligten Gespräche geführt und dem Gericht berichtet hatte, bot der Antragsteller schriftsätzlich den Abschluss einer Elternvereinbarung betreffend die künftige Handhabung des Umgangs an. Die Antragsgegnerin ließ durch ihre Verfahrensbevollmächtigte ihre Bereitschaft zur Annahme dieses Einigungsangebots mitteilen. Daraufhin hob das AG den bereits anberaumten Kindesanhörungstermin vom 11.5.2011 auf; mit Beschluss vom 23.5.2011 stellte es das Zustandekommen der vorgeschlagenen Elternvereinbarung fest und billigte diese gem. § 156 Abs. 2 FamFG. Mit Beschluss vom 10.6.2011 entschied es über die Kosten des Verfahrens und setzte den Verfahrenswert fest.

Am 6.6.2011 beantragte die beigeordnete Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers die Festsetzung ihrer Vergütung gegenüber der Landeskasse i.H.v. 810,99 EUR; dem lag zugrunde die Einstellung einer 1,3 Verfahrens- (Nr. 3100 RVG-VV), einer 1,2 Termins- (Nr. 3104 RVG-VV) sowie einer 1,0 Einigungsgebühr (Nr. 1003 RVG-VV) jeweils mit einem Verfahrenswert von 3.000 EUR, die Kommunikationspauschale (Nr. 7002 RVG-VV) sowie die auf den sich danach ergebenden Betrag von 681,50 EUR entfallende Umsatzsteuer (129,49 EUR).

Mit Beschluss vom 14.6.2011 setzte die Kostenbeamtin des AG die aus der Landeskasse an die Verfahrensbevollmächtigte zu zahlende VKH-Vergütung auf (lediglich) 540,93 EUR fest; die Terminsgebühr (einschließlich darauf entfallender Umsatzsteuer) setzte die Kostenbeamtin ab.

Hiergegen richtete sich die umgehend eingelegte Erinnerung der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers. Diese vertritt - auch unter Berufung auf eine dahingehende Entscheidung des OLG Stuttgart (Beschl. v. 14.9.2010 - 8 WF 133/10, FamRZ 2011, 591 f.) die Auffassung, dass im vorliegenden Fall die Terminsgebühr gem. Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV entstanden sei, da in Kindschaftsverfahren die mündliche Erörterung vorgeschrieben, vorliegend jedoch mit Einverständnis der Beteiligten unterblieben sei. Erörterung in diesem Sinne sei gleichbedeutend mit mündlicher Verhandlung, so dass auch bei einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren die Terminsgebühr entstehe.

Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Der Bezirksrevisor ist in seiner Stellungnahme vom 5.7.2011 der Erinnerung entgegengetreten; er hält - insbesondere auch unter Hinweis auf den Senatsbeschluss vom 9.11.2009 - 10 WF 358/09, FamRZ 2011, 590 f. sowie die Kommentierung bei Gerold/Schmidt19-Müller-Rabe, RVG VV 3104 Rz. 29 - Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV in Kindschaftssachen bereits nicht für einschlägig. Die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers ist der Stellungnahme unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vortrages entgegengetreten.

Mit Beschluss vom 8.7.2011 hat sich das AG der Auffassung des Bezirksrevisors angeschlossen und die Erinnerung der Verfahrensbevollmächtigten zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss richtet sich ihre am 18.7.2011 erhobene Beschwerde, die weiterhin Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV für vorliegend einschlägig erachtet.

Der Einzelrichter hat die Sache gem. §§ 56 Abs. 2 Satz 1 2. Alt, 33 Abs. 8 Satz 1 und 2 RVG dem Senat zur Entscheidung übertragen.

II.1. Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers ist gem. §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG analog statthaft; sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht gem. §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG analog erhoben und übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes mit 269,90 EUR den Betrag von 200 EUR (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG analog).

2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 3 RVG-VV in der hier anzuwendenden, seit dem 1.9.2009 gültigen Fassung entsteht eine Terminsgebühr für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Bewei...

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