Entscheidungsstichwort (Thema)

Abschalteinrichtung, Sittenwidrigkeit, Darlegungs- und Beweislast, Klagepartei, Besondere Verwerflichkeit, Vorteilsausgleichung, Obergerichtliche Rechtsprechung, Bewusster Gesetzesverstoß, Anzeige, Berufungsrücknahme, Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Verrichtungsgehilfen, BGH-Beschluss, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Restwert, Gewinnerzielungsabsicht, Substantiierung, Hinweisbeschluss, Differenzschaden, Rücknahme der Berufung

 

Verfahrensgang

LG Augsburg (Urteil vom 09.02.2022; Aktenzeichen 022 O 2224/21)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 09.02.2022, Az. 022 O 2224/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Es ist beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 19.849,70 EUR festzusetzen.

3. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

 

Gründe

I. Das Endurteil des Landgerichts Augsburg entspricht der Sach- und Rechtslage.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

2. Die Berufung ist aber offensichtlich unbegründet. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Entscheidungserhebliche Rechtsfehler im Sinne des § 520 Abs. 3 ZPO sind nicht ersichtlich und werden von der Berufung auch nicht aufgezeigt.

Das Landgericht hat gegen die Beklagte allein in Betracht kommende deliktische Ansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Pkws Opel Zafira Tourer Innovation 2.0, ausgestattet mit einem Dieselmotor mit einer Leistung von 125 kW der EU 6- Norm zu einem Kaufpreis von 28.000 EUR bei einem km-Stand von 12.700 km zu Recht abgelehnt.

Die mit der Berufung erhobenen Rügen verfangen nicht. Zu den Berufungsangriffen ist Folgendes anzumerken:

a) Zu Recht hat das Erstgericht gerade auch Ansprüche aus § 826 BGB i.V m. § 31 BGB bzw. § 831 BGB gegen die Beklagte mangels Substantiierung abgelehnt.

Der Senat teilt in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung die Auffassung, dass für eine deliktische Haftung der Beklagten die Klagepartei grundsätzlich die volle Darlegungs- und Beweislast für alle Anspruchsvoraussetzungen trägt (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19 Rz. 35 m.w.N.).

Vorliegend fehlt es indes bereits an einer schlüssigen Darlegung für eine objektive Sittenwidrigkeit i.S. § 826 BGB in Bezug auf sämtliche mit der Berufung thematisierten Abschalteinrichtungen.

Dabei ist seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19. Januar 2021- VI ZR 433/19 (vgl. dort Rn. 18), welcher sich der Senat anschließt, auch höchstrichterlich geklärt, dass ein in der Ausstattung eines Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung 715/2007/EG liegender Gesetzesverstoß auch unter Berücksichtigung einer damit einhergehenden Gewinnerzielungsabsicht der Beklagten nicht per se geeignet ist, den Einsatz dieser Abschalteinrichtung durch die für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich im Sinne § 826 BGB erscheinen zu lassen. Steht eine unzulässige Abschalteinrichtung inmitten, die im Prüfzyklus und im Realbetrieb grundsätzlich in gleicher Weise arbeitet und auch keine spezifisch auf die Rahmenbedingungen des NEFZ abgestimmte Bedatung aufweist, ist der Vorwurf der Sittenwidrigkeit nur gerechtfertigt, wenn zu einem - unterstellten - Verstoß gegen die Verordnung 715/2007/EG weitere bzw. andere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der für den Hersteller handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen. Die Annahme von Sittenwidrigkeit setzt dann jedenfalls voraus, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Gerade auch hierfür trifft die Klagepartei die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19 -, Rn. 19, juris).

aa) Dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit einer Abschalteinrichtung ausgestattet ist, die an eine Prüfstanderkennung geknüpft wäre bzw. an eine Bedatung mit Parametern, die im realen Betrieb praktisch in dieser Kombination nicht vorkommt (vgl. BGH, Urt. v. 13.10.2021 - VII ZR 179/21, juris Rn. 25, OLG Stuttgart, Urteil vom 28. Juni 2022 - 24 U 115/22 -, Rn. 52, juris), hat die Klagepa...

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