Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein zwingendes Aussageverweigerungsrecht wegen fehlender Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht über den Tod des Patienten hinaus

 

Normenkette

ZPO § 385 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Landshut (Urteil vom 15.07.2011; Aktenzeichen 44 O 2805/09)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde des Zeugen Prof. Dr. med. H. (Beschwerdeführer) gegen das Zwischenurteil des LG Landshut vom 15.7.2011 wird zurückgewiesen.

II. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht gestützt auf § 116 SGB X gegen die Beklagte als Trägerin des Bezirksklinikums L. die für die Behandlung von Brandwunden des bei ihr versicherten Patienten Hermann G. angefallenen Kosten geltend. Der Beschwerdeführer ist Chefarzt der Medizinischen Klinik I des Klinikums L.

Der bei der Klägerin versicherte Patient, der inzwischen verstorben ist, war wegen Alkoholentzugsproblemen am 3.5.2006 in das Bezirkskrankenhaus L. aufgenommen worden. Am Morgen des 6.5.2006 wurde er in seinem Krankenzimmer am Heizkörper angelehnt vorgefunden. Bei dem Patienten wurde eine Verbrennung zweiten Grades festgestellt. Am 29.5.2006 wurde der Patient von dem Bezirksklinikum in das Klinikum L. verlegt.

Mit ihrer am 16.10.2009 erhobenen Klage macht die Klägerin gegenüber der Beklagten Heilbehandlungskosten insoweit i.H.v. ca. 6000,- EUR geltend.

Nachdem der vom LG beauftragte Sachverständige mit Gutachten vom 16.8.2010 zu dem Ergebnis gekommen ist, dass in der Nacht vom 5.5. auf den 6.5.2006 seitens der Beklagten die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen nicht durchgeführt worden waren, ordnete das LG mit Verfügung vom 22.10.2010 eine umfangreiche Beweisaufnahme an, bei der u.a. der Beschwerdeführer und weitere Ärzte des Klinikums L. sowie des Bezirksklinikums vernommen werden sollten. Hinsichtlich des von der Klägerin als Zeugen benannten Beschwerdeführers lautete das Beweisthema "Grund für die Aufnahme des Patienten am 29.5.2006 im Klinikum L".

In der öffentlichen Sitzung des LG Landshut am 3.3.2011 erklärte der Beschwerdeführer, er habe Bedenken, Angaben zur Sache zu machen, da er nicht wirksam von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden worden sei. Die Kammer beendete daraufhin den Termin zur Durchführung der Beweisaufnahme.

Mit Schriftsatz vom 23.3.2011 beantragte die Klägerin, durch Zwischenurteil gem. § 387 Abs. 2 ZPO über die Rechtmäßigkeit des Aussageverweigerungsrechts zu entscheiden und den Beschwerdeführer aufzufordern, seine Gründe für seine Aussageverweigerung zu nennen.

Mit Schreiben vom 25.5.2011 teilte der Beschwerdeführer dem Gericht mit, dass aus seiner Sicht die Schweigepflicht ein besonders hoch einzuschätzendes Gut sei. Es stelle sich die Frage, ob gegen einen Dritten, der nicht notwendigerweise ein unmittelbares Interesse am Ausgang dieses Prozess habe, die Schweigepflicht gebrochen werden könne. Aus seiner Sicht könne der Bruch der Schweigepflicht nur dann erfolgen, wenn besondere Gründe vorliegen würden, die unmittelbar im Interesse des Patienten selbst liegen würden.

Mit Zwischenurteil vom 15.7.2011 entschied das LG, dass der Beschwerdeführer nicht berechtigt sei, sein Zeugnisverweigerungsrecht auf eine fehlende Entbindung der ärztlichen Schweigepflicht zu stützen.

Das LG führte zur Begründung aus, dass es die Überzeugung gewonnen habe, dass der verstorbene Patient die Ärzte und das Pflegepersonal im Zusammenhang mit dem Zustandekommen und mit der Behandlung der Brandverletzung von der Schweigepflicht entbunden hätte. Auch wenn die Verfolgung etwaiger Behandlungsfehler nicht im unmittelbaren Interesse des inzwischen verstorbenen Patienten oder seiner Erben sondern im Interesse seiner Krankenversicherung erfolgt sei, sei von einer mutmaßlichen Entbindung auszugehen. Die Kammer sei der Auffassung, dass es auch im Interesse des einzelnen Patienten und im Interesse der Solidargemeinschaft der Versicherten liege, der Krankenkasse die Möglichkeit zu verschaffen, wegen Behandlungsfehlern bei dem Träger eines Krankenhauses die Kosten geltend zu machen, die zur Behebung der Folgen eines Behandlungsfehlers notwendig gewesen wären. Gründe, die den Patienten hätten veranlassen können, ausnahmsweise doch eine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht zu verweigern, seien nicht ersichtlich. Sein Alkoholproblem sei bekannt gewesen und der Vorfall, der zu den Brandverletzungen geführt habe, sei unter Berücksichtigung des bekannten Alkoholproblems nicht als so peinlich anzusehen, dass allein deshalb eine Verweigerung der Entbindung von der Schweigepflicht zu vermuten wäre.

Der Beschwerdeführer legte mit Schreiben vom 20.7.2011 gegen das Zwischenurteil das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde ein.

Das LG half mit Beschluss vom 21.7.2011 der sofortigen Beschwerde nicht ab.

Mit Verfügung vom 29.7.2011 eröffnete der Senat dem Beschwerdeführer die Gelegenheit, die sofortige Beschwerde bis zum 1.9.2011 zu begründen. Eine Beschwerdebegründung ist nicht eingegangen.

II. Die ...

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