Entscheidungsstichwort (Thema)

Kilometerleasingvertrag: Widerrufsrecht des Leasingnehmers; Anforderungen an den Inhalt einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Einem Leasingnehmer steht bei einem Leasingvertrag mit Kilometer-Abrechnung kein gesetzliches Widerrufsrecht zu und auch die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung des § 506 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB liegen nicht vor. (Rn. 3)

2. Der Abschluss von Kilometerabrechnungsverträgen stellt kein Umgehungsgeschäft i.S.d. § 512 S. BGB dar. (Rn. 8)

3. Besteht ein vertraglich eingeräumtes Widerrufsrecht, genügt allein der Umstand, dass sich der Unternehmer bei den Formulierungen in der Widerrufsbelehrung an den Vorgaben des gesetzlichen Widerrufsrechts orientiert hat, nicht für die Annahme, dass er nicht bestehende Belehrungspflichten übernehmen und erfüllen wollte (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 6. November 2012, II ZR 176/12). (Rn. 13)

4. Von den Gerichten dürfen Musterbelehrungen im Grundsatz nicht auf ihre inhaltliche Richtigkeit überprüft und womöglich als gesetzwidrig verworfen werden. (Rn. 19)

 

Normenkette

BGB § 355 Abs. 2, § 357a Abs. 2-3, §§ 358-360, 492 Abs. 2, § 506 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 3, § 512 S. 2; EGBGB Art. 247 § 6 Abs. 2 Sätze 1-3, § 12 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 2b, Sätze 3, 5, 5

 

Verfahrensgang

LG München II (Urteil vom 16.09.2020; Aktenzeichen 9 O 1112/20)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 16.09.2020, Az. 9 O 1112/20 Fin, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

 

Gründe

Eine Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die erstinstanzliche Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 513 Abs. 1 Fall 1 i.V.m. § 546 ZPO) oder die Tatsachenfeststellung unrichtig ist (§ 513 Abs. 1 Fall 2 i.V.m. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder neue berücksichtigungsfähige Angriffs- oder Verteidigungsmittel vorliegen (§ 513 Abs. 1 Fall 2 i.V.m. §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO). Entsprechende Voraussetzungen kann die Berufung nicht aufzeigen.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung der Leasingraten. Der von dem Kläger erklärte Widerruf des Leasingvertrags ist unwirksam. Auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Endurteils des Landgerichts vom 16.09.2020 wird Bezug genommen. Im Hinblick auf die Berufungsbegründung ist ergänzend auszuführen:

1. Dem Kläger steht kein gesetzliches Widerrufsrecht zu.

Bei dem gegenständlichen Leasingvertrag handelt es sich um einen Leasingvertrag mit Kilometer-Abrechnung. Da dabei der Kläger weder zum Erwerb des Fahrzeugs verpflichtet ist, noch die Beklagte vom Kläger den Erwerb verlangen kann, noch der Kläger für einen bestimmten Wert bei Beendigung des Fahrzeugs einzustehen hat, liegen die Voraussetzungen des § 506 Abs. 2 BGB, der bestimmte entgeltliche Nutzungsverträge entgeltlichen Finanzierungshilfen im Sinne von § 506 Abs. 1 BGB gleichstellt, nicht vor.

2. Die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung des § 506 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB auf Leasingverträge mit Kilometer-Abrechnung liegen nicht vor.

Schon die allgemeinen Voraussetzungen einer Analogie liegen nicht vor. Unabhängig davon gebietet der Gesetzeszweck keine Einbeziehung von Kilometer -Abrechnungsverträgen in den Anwendungsbereich der Verbraucherschutzvorschriften.

Auf die ausführliche und zutreffende Begründung des erstinstanzlichen Urteils, in dem die ständige Rechtsprechung des Senates aufgegriffen wird, auf die Beschlüsse des OLG München vom 17.11.2020 - Az. 27 U 4590/20 sowie auf die Entscheidungen der anderen Oberlandesgericht (OLG Stuttgart, NJW-RR 2020, 299; OLG Hamm, Urteil vom 04.09.2020 - 30 U 12/20 -, juris, m.w.N.; OLG Brandenburg, Beschluss vom 11.02.2020 - 1 U 73/19) kann verwiesen werden.

3. Eine Anwendbarkeit der Verbraucherschutzvorschriften ergibt sich auch nicht aus § 512 Satz 2 BGB iVm § 506 BGB. Danach finden die Vorschriften der §§ 491 bis 511, 514 und 515 BGB auch Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden. Der Abschluss von Kilometerabrechnungsverträgen stellt kein Umgehungsgeschäft dar.

Ein Umgehungstatbestand liegt vor, wenn die vertragliche Beziehung zwischen den Parteien so gestaltet wird, dass die §§ 491-511, 514 und 515 BGB nach dem durch Auslegung ermittelten Normgehalt ganz oder teilweise keine Anwendung finden, obwohl sie nach ihrem Schutzzweck eingreifen müssten (BeckOK BGB/Möller, 54. Ed. 1.5.2020, § 512 BGB Rn. 6). Es kommt darauf an, ob die Willenserklärungen der Parteien, obwohl sie sich nicht in der äußeren Form eines K...

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