Leitsatz (amtlich)

Ein Arzt, der dem Patienten Einsicht in die Behandlungsunterlagen gewährt und/oder dem Patienten Kopien der Behandlungsunterlagen zugänglich macht, ist nicht verpflichtet an Eides statt zu versichern, dass die vorgelegten Behandlungsunterlagen authentisch und vollständig sind beziehungsweise die zugänglich gemachten Kopien die Behandlungsunterlagen vollständig abbilden.

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 09.10.2006; Aktenzeichen 9 O 10384/06)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 30.10.2006 hin wird das Anerkenntnisurteil des LG München I vom 9.10.2006 in Ziff. 2 dahingehend abgeändert, dass die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben werden.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangte erstinstanzlich vom Beklagten Herausgabe von Fotokopien der Behandlungsunterlagen sowie der angefertigten Bildbefunde im Original und die eidesstattliche Versicherung, dass die photokopierten Behandlungsunterlagen vollständig sind. Der Anspruch auf Herausgabe wurde vom Beklagten erstinstanzlich anerkannt. Das Verlangen der eidesstattlichen Versicherung wurde in der mündlichen Verhandlung vom 9.10.2006 übereinstimmend für erledigt erklärt.

Mit dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 17.10.2006 zugestelltem Anerkenntnisurteil vom 9.10.2006, auf das wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, hat das LG dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Hiergegen richtet sich die am 31.10.2006 eingegangene sofortige Beschwerde des Beklagten vom 30.10.2006, der das LG mit Beschluss vom 2.11.2006 nicht abgeholfen hat.

Der Beklagte beantragt, das Anerkenntnisurteil des LG München I vom 9.10.2006 hinsichtlich der Kostenentscheidung aufzuheben und der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 5.11.2006 zur sofortigen Beschwerde Stellung genommen und beantragt, diese zurückzuweisen.

II. Die gem. §§ 91a Abs. 2, 99 Abs. 2, 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.

1. Das LG hat dem Beklagten, soweit der Anspruch auf Einsicht in die Behandlungsunterlagen in Frage steht, zu Recht gem. § 91 ZPO die Verfahrenskosten auferlegt. Eine Entscheidung zu Lasten des Klägers gem. § 93 ZPO kommt nicht in Betracht. Der Beklagte war mit Schriftsatz der Bevollmächtigten der Klägerin vom 29.3.2006 (Anlage K 1) unter Hinweis auf und unter Beigabe einer Kopie der Verfügung des LG München I aus dem Rechtsstreit der Klägerin gegen Dr. F. wegen Arzthaftung dazu aufgefordert worden, der Klägerin oder dem LG München I die Krankenunterlagen über die Behandlung der Klägerin bei dem Beklagten in Kopie vorzulegen. Dem ist der Beklagte auch auf die Mahnung vom 16.5.2006 (Anlage K 2) hin nur teilweise nachgekommen. Damit hat er Veranlassung zur Klage gegeben. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass dem Patienten neben dem Recht auf Einsicht in die Behandlungsunterlagen nur ein Anspruch auf Bereithaltung von Kopien durch den Arzt gegen Kostenerstattung zugebilligt wird (Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht aktuell, 1. Aufl. Köln 2003, Seiten 272/273 m.w.N.). Der Beklagte hat sich vorprozessual nicht darauf berufen, dass die Klägerin Einsicht in die Behandlungsunterlagen nehmen und diese kopieren könne bzw. ihr vom Beklagten eine vollständige Kopie der Behandlungsunterlagen gegen Kostenerstattung zugänglich gemacht werde. Der Beklagte hat vielmehr, obwohl das Schreiben vom 29.3.2006 eindeutig abgefasst war, der Klägerin nur Kopien eher untergeordneter Teile der Behandlungsunterlagen übersandt und nicht erkennen lassen, dass er dem Anspruch der Klägerin auf umfassende Einsicht in die Behandlungsunterlagen alsbald im rechtlich gebotenen Umfang nachkommen werde. Deshalb hat er Anlass zur Klageerhebung i.S.v. § 93 ZPO geboten.

2. Die Beschwerde hat insoweit Erfolg, als der Arzt nicht verpflichtet ist, eidesstattlich zu versichern, dass die dem Patienten zugänglich gemachten Kopien der Behandlungsunterlagen diese vollständig abbilden. Insoweit sind die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91a ZPO der Klägerin aufzuerlegen.

Eine entsprechende Verpflichtung des Arztes wird, soweit der Senat feststellen kann, bisher von der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht angenommen. Soweit das LG diese nunmehr aus §§ 259 bis 261 BGB herleitet, schließt sich der Senat dem nicht an. Der Arzt ist dem Patienten, wovon auch das LG ausgeht, weder rechenschaftspflichtig i.S.v. § 259 BGB noch schuldet er die Herausgabe eines Inbegriffs von Gegenständen i.S.v. § 260 BGB. Vielmehr ist der Patient lediglich zur Einsicht in die Behandlungsunterlagen berechtigt. Entgegen der Auffassung des LG, dass § 259 BGB analog herangezogen hat, besteht auch kein Anlass dafür, dass sich der Patient durch Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung des Arztes darüber Gewissheit verschafft, dass die ihm zur Verfügung gestellten Kopien vollstän...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge