Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungen, Berufung, Bauvertrag, Abschlagsrechnung, Leistungsverzeichnis, Erledigung, Schlussrechnung, Feststellung, Bauvorhaben, Voraussetzungen, Revision, Anordnung, Abrechnung, Feststellungsinteresse, erledigendes Ereignis, gerichtliche Entscheidung, Erledigung der Hauptsache

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zulässigkeit einer negativen Feststellungsverfügung gegen eine Abschlagsrechnung, die auf einen gemäß § 650c Abs. 3 S. 1 BGB ermittelten Mehrvergütungsanspruch gestützt wird.

2. § 650c Abs. 3 BGB ist ebenso wie § 650d BGB im VOB -Vertrag anwendbar. Will der Unternehmer nach § 650c Abs. 3 S. 1 BGB vorgehen, müssen aber auch im VOB-Vertrag die Voraussetzungen des § 650b BGB gegeben sein.

3. Wenn durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO über die Berufung entschieden wird, kommt es in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf die Voraussetzungen gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO nicht an.

 

Normenkette

BGB §§ 650b, 650c Abs. 3, § 650d; VOB/B § 16 Abs. 1; ZPO § 256 Abs. 1, § 522 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 31.08.2023; Aktenzeichen 24 O 9551/23)

 

Tenor

1. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 31.08.2023, Aktenzeichen 24 O 9551/23, wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 380.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Tatsächliche Feststellungen

Die Parteien streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes über Mehrvergütungsansprüche der Antragsgegnerin, die diese unter Anwendung von § 650c Abs. 3 S. 1 BGB geltend machte. Die Antragstellerin hat den Rechtsstreit inzwischen in der Hauptsache für erledigt erklärt, die Antragsgegnerin hat dem nicht zugestimmt.

Die Antragstellerin ist Auftraggeberin, die Antragsgegnerin ist Auftragnehmerin des Bauvertrags vom 08.04./29.07.2019, der die Erstellung des sogenannten "...tunnels", eines großen Tunnelbauwerks im Rahmen der Maßnahme zur Verlegung der Bundesstraße B 23 westlich von G. zur Ortsumgehung, zum Gegenstand hat. Bei dem Bauvertrag handelt es sich um einen Einheitspreisvertrag mit einem von der Antragstellerin erstellten Leistungsverzeichnis. Das Leistungsverzeichnis enthält mehrere hundert Positionen mit technischen Teilleistungen und Mengenvordersätzen. Außerdem enthält das Leistungsverzeichnis Positionen für die Abrechnung sogenannter zeitgebundener Kosten. Die VOB/B ist Vertragsbestandteil. Auf die Anlagen ASt1 - ASt5 wird Bezug genommen.

Baubeginn war im Dezember 2019. Die Vortriebsarbeiten sind abgeschlossen. Die Innenschalenarbeiten sind ebenfalls nahezu abgeschlossen. Im Wesentlichen stehen zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Verfahrens noch Erd-, Straßen- und Restarbeiten aus.

Bis zur 43. Abschlagsrechnung rechnete die Antragsgegnerin mit 100% der von ihr ermittelten Preise ab. Die Antragsgegnerin rechnet hierbei im Wege einer kumulierten Aufstellung ab, nämlich in der Weise, dass sie mit jeder monatlichen Abschlagsrechnung die vom Baubeginn an bis zum jeweiligen Abrechnungsstichtag (Ende des jeweiligen Monats) erbrachten Leistungen - sowohl laut Vertrag vom Sommer 2019 geschuldete Leistungen als auch von der Antragsgegnerin begehrte Nachträge - mit den Preisen in Ansatz bringt und davon sämtliche von der Antragstellerin geleisteten Abschlagszahlungen abzieht. Die Antragstellerin prüft die Abschlagsrechnungen der Antragsgegnerin und teilt ihr die Ergebnisse ihrer Prüfungen jeweils - ebenfalls monatlich - mit und zahlt die aus ihrer Sicht zum jeweiligen Abrechnungsstichtag berechtigten Beträge aus.

Auf diese Weise hat sich die Summe der offenen Abschlagsforderung der Antragsgegnerin über Jahre und Monate hinweg erhöht.

Mit der streitgegenständlichen 44. Abschlagsrechnung vom 10.07.2023, Nr. 20202-2023, mit der unter Zugrundelegung eines Betrags von EUR 282.810.895,05 und bislang eingegangener Zahlungen in Höhe von EUR 230.674.000,00 eine Abschlagssumme von EUR 52.136.895,05 brutto geltend gemacht wurde, stellte die Antragsgegnerin um auf eine Abrechnung gemäß § 650c Abs. 3 BGB (80% - Regelung). Auf die im Wege der kumulierten Aufstellung erstellte 44. Abschlagsrechnung vom 10.07.2023 (Anlage ASt8) und das Begleitschreiben vom 10.07.2023 zur Erläuterung der 44. Abschlagsrechnung (Anlage ASt7) wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 19.07.2023 (Anlage ASt11) wies die Antragstellerin die mit der 44. Abschlagsrechnung geltend gemachten Forderungen - soweit diese nicht bezahlt wurden - unter Hinweis auf das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 650c Abs. 3 BGB zurück.

Gemäß Rechnungsprüfung der Antragstellerin vom 31.07.2023 wurde ein Betrag von EUR 6.293.000,00 im Hinblick auf die 44. Abschlagsrechnung zur Zahlung freigegeben, auf Anlage ASt13 wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 01.08.2023 (Anlage ASt12) drohte die Antragsgegnerin mit der Baueinstellung für den Fall, dass die Abschlagsrechnung Nr. 44 nicht beglichen wird.

Am 02.08.2023 machte die Antragsge...

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