Leitsatz (amtlich)

1. Trotz der zugunsten des Anlegers geschaffenen verfahrensmäßigen Erleichterungen beim Nachweis des Wissensvorsprungs der Bank bei steuersparenden Anlagemodellen, die seit BGHZ 168, 1 ff., Bestandteil der ständigen Rechtsprechung sind, hat der Anleger gleichwohl eine arglistige Täuschung des Vertriebs vorzutragen. Weder Evidenz noch institutionalisiertes Zusammenwirken im Sinne dieser Rechtsprechung ersetzen das Tatbestandserfordernis der arglistigen Täuschung durch den Vertrieb

2. Für arglistiges Handeln des Vertriebs ist aber eine Täuschungsabsicht nicht erforderlich; vielmehr genügt es, wenn der Vermittler unrichtige Behauptungen ins Blaue hinein aufstellt.

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 12.07.2010; Aktenzeichen 22 O 9315/10)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des LG München I vom 12.7.2010 aufgehoben.

2. Dem Antragsteller wird mit Wirkung ab Antragstellung für die erste Instanz ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und die Rechtsanwaltskanzlei S. als Prozessbevollmächtigte beigeordnet.

 

Gründe

I. Ausweislich seines Antrags vom 3.5.2010 begehrt der Antragsteller Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der ausweislich des Klageentwurfs gleichen Datums im Wege des Schadensersatzes die Rückabwicklung eines Immobilienerwerbs herbeigeführt werden soll. Hierzu trägt der Antragsteller u.a. vor, er habe 1997 aufgrund einer Empfehlung der Firma S. und aufgrund eines überreichten Prospektes der Firma a. GmbH eine Eigentumswohnung zum Preis von 161.905 DM in Gera erworben. Dieser Erwerb sei durch die Rechtsvorgängerin der künftigen Beklagten (fortan: Beklagte) mit dem Darlehensvertrag gemäß Anlage K 2, womit dem Antragsteller durch die Beklagte ein Darlehen über 163.500 DM gewährt worden sei, finanziert worden. Die Beklagte sei systematisch in den Vertrieb der 12 in dem Objekt belegenen Eigentumswohnungen (darunter diejenige des Antragstellers) involviert gewesen. Die Beklagte habe mit der Vermittlerfirma institutionalisiert zusammengearbeitet. Der Kaufpreis der Wohnung sei "weit überteuert" gewesen. Unter Zugrundelegung der tatsächlichen Mieterträge errechne sich ein Verkehrswert für die Wohnung von 26.000 EUR. Das krasse Missverhältnis zwischen diesem Wert und dem Kaufpreis (82.300 EUR) sei der Beklagten bekannt gewesen. Sie habe den Antragsteller aber pflichtwidrig nicht auf das Missverhältnis hingewiesen. Im Rahmen der Beschwerdebegründung hat der Antragsteller außerdem vorgetragen, er sei von dem Vertriebsmitarbeiter hinsichtlich der erzielbaren Miete arglistig getäuscht worden. In den Berechnungen der Vertriebsfirma sei mit einem Anfangsmietwert von 532 DM gerechnet worden, was einem Mietpreis von 11 DM pro Quadratmeter entspreche. Tatsächlich sei der Wohnraum im Jahr 1997 für höchstens 7 bis 8 DM pro Quadratmeter zu vermieten gewesen.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 12.7.2010, zugestellt am 29.7.2010, hat das LG die begehrte Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht verweigert. Der hiergegen gerichteten, am 16.8.2010 eingegangenen sofortigen Beschwerde des Antragstellers hat das LG mit Beschluss vom 23.8.2010 nicht abgeholfen.

II. Die sofortige Beschwerde ist statthaft und zulässig (§§ 127 Abs. 2 Satz 3, 569 Abs. 1 ZPO); sie ist auch begründet. Nach dem derzeitigen beiderseitigen Vorbringen kann die Erfolgsaussicht der Klage nicht mit der für die Verweigerung der Prozesskostenhilfe erforderlichen Sicherheit verneint werden.

1. Nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen des Antragstellers hat dieser die streitgegenständliche Eigentumswohnung in Gera "zum Zwecke der Steuerersparnis" erworben. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist eine kreditgebende Bank (hier unstreitig: die Beklagte) bei steuersparenden Modellen zur Risikoaufklärung über das finanzierte Geschäft nur unter ganz besonderen Voraussetzungen verpflichtet. Sie darf regelmäßig davon ausgehen, dass die Kunden entweder über die notwendigen Kenntnisse oder Erfahrungen verfügen oder sich jedenfalls der Hilfe von Fachleuten bedient haben. Aufklärungs- und Hinweispflichten, wie sie hier der Antragsteller geltend macht, können sich daher nur aus den besonderen Umständen des konkreten Einzelfalls hinsichtlich des finanzierten Geschäfts ergeben. Dies kann u.a. der Fall sein, wenn die Bank in Bezug auf spezielle Risiken des Vorhabens einen konkreten Wissensvorsprung vor dem Darlehensnehmer hat und dies auch erkennen kann (BGH, Urt. v. 23.10.2007 - XI ZR 167/05, WM 2008, 154 Rz. 21). Dies gilt insbesondere auch für den Fall, dass der Anleger durch unrichtige Angaben der Vermittler oder Verkäufer über das Anlageobjekt arglistig getäuscht wurde. Die Kenntnis der Bank von einer solchen arglistigen Täuschung wird widerleglich vermutet, wenn Verkäufer oder Vermittler und die finanzierende Bank in institutionalisierter Art und Weise zusammenwirken und wenn die Unrichtigkeit der erfolgten Angaben nach den Umständen des Falles objektiv evident ist, so dass sich nach der allgemeinen Lebenserfa...

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