Leitsatz (amtlich)

1. Ohne das Hinzutreten besonderer Umstände besteht bei einer formgerecht errichteten Verfügung von Todes wegen keine Veranlassung, den Testierwillen des Erblassers zur Zeit der Errichtung anzuzweifeln.

2. Errichtet der Erblasser am selben Tag zwei inhaltlich identische Schriftstücke, die Verfügungen von Todes wegen enthalten, liegt die Prüfung nahe, ob der Erblasser zwei Originale oder aber ein Original und eine (handschriftliche) Abschrift errichten wollte.

3. Die Feststellungslast für das Vorliegen des Testierwillens trägt grundsätzlich derjenige, der aus einer Verfügung von Todes wegen Rechte herleiten will.

 

Normenkette

BGB § 2247

 

Verfahrensgang

AG Dillingen a.d. Donau (Aktenzeichen 2 VI 642/17)

 

Tenor

1. Die Beschwerden gegen den Beschluss des Amtsgerichts Dillingen a.d. Donau - Nachlassgericht - vom 07.03.2019 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer 3 des angefochtenen Beschlusses wie folgt neu gefasst wird:

"Die Beteiligten tragen die gerichtlichen Kosten des jeweiligen von ihnen veranlassten Erbscheinserteilungsverfahrens vor dem Nachlassgericht. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten jeweils selbst."

2. Die Beschwerdeführer tragen die gerichtlichen Kosten des jeweils von ihnen veranlassten Beschwerdeverfahrens.

3 Sie haben zugleich die der Beteiligten zu 1 erwachsenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen des jeweiligen Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

4. Der Geschäftswert

der Beschwerdeverfahren 31 Wx 246/19, 31 Wx 247/19

wird auf jeweils 104.250 EUR,

der Beschwerdeverfahren 31 Wx 248/19, 31 Wx 249/19, 31 Wx 269/19

wird auf jeweils 69.500 EUR

festgesetzt.

 

Gründe

I. Der ledige und kinderlose Erblasser ist am 22.06.2017 in Dillingen verstorben.

Er errichtete am 08.07.2011 zwei im Wesentlichen gleichlautende Testamente. Ein Exemplar verblieb beim Erblasser, ein Exemplar gab er der Beteiligten zu1, seiner Cousine.

Die Verfügungen haben folgenden Wortlaut:

"Testament

1.) Im Falle meines Ablebens setze ich meine Cousine XXX XXX, XXX, XXXstr., zu meiner Alleinerbin ein.

2.) Als Vermächtnis erhalten:

XXX, XXX in XXX 10.000,- Euro

3.) Ersatzerben: XXX XXX, Pfarrer in XXX

XXX den 8.7.2011

(Unterschrift des Erblassers)"

Die beiden Exemplare unterscheiden sich lediglich insoweit, als ein Exemplar, nämlich das, was beim Erblasser verblieben war, die Wörter "meine Cousine" als Einfügung oberhalb der ersten Zeile enthält und die Gliederungsziffern (1, 2, 3) nicht enthält.

Die beim Erblasser verbliebene Verfügung wurde nach dem Vortrag der Beteiligten im Verfahren vor dem Nachlassgericht im Jahre 2017 vom Betreuer des Erblassers zerrissen. Das bei der Beteiligten zu 1 verbliebene Exemplar habe der Betreuer von dieser herausverlangt, jedoch verweigerte die Beteiligte zu 1 nach Angaben des Betreuers die Herausgabe.

Die Beteiligte zu 1 hat, gestützt auf die Verfügung, die bei ihr verblieben war, einen Erbschein beantragt, dessen Erteilung das Nachlassgericht angekündigt hat.

Die Beschwerdeführer, die zu den gesetzlichen Erben gehören, sind der Ansicht, das Testament sei wirksam widerrufen und gesetzliche Erbfolge eingetreten.

II. Die zulässigen Beschwerden bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.

Zutreffend ist das Nachlassgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die Erbrechtslage nach dem Testament richtet, das der Erblasser am 08.07.2011 errichtet und der Beteiligten zu 1 ausgehändigt hat.

1. Bei dem Testament vom 08.07.2011, das an die Beteiligte zu 1 ausgehändigt wurde, handelt es sich um ein formwirksames, mit Testierwillen errichtetes Testament.

Ein handschriftliches Testament ist formwirksam errichtet, wenn es vom Erblasser eigenhändig ge- und unterschrieben ist, § 2247 Abs. 1 BGB.

Eine Verfügung von Todes wegen ist mit Testierwillen errichtet, wenn der Erblasser den ernstlich erklärten Willen hatte, ein rechtsverbindliches Testament zu errichten. Dieser Wille folgt bei privatschriftlichen Testamenten nicht in jedem Fall aus der Erfüllung aller Formerfordernisse nach § 2247 (BayObLG FGPrax 2004, 243). Die Feststellung des Testierwillens erfordert eine Prüfung des Gesamtverhaltens des Erklärenden einschließlich aller Nebenumstände (§ 133); dabei können auch Umstände außerhalb der Urkunde sowie die allgemeine Lebenserfahrung von Bedeutung sein. Insbesondere muss sich der Erblasser darüber bewusst sein, dass er eine rechtsverbindliche Erklärung abgibt (BayObLG FamRZ 2000, 944/945). Wenn eine Urkunde mit "letztwillige Verfügung" überschrieben und unterzeichnet ist, besteht aber mangels anderer Anhaltspunkte kein Grund zur Prüfung, ob nur ein Entwurf vorliegt (MüKoBGB/Sticherling, 8. Auflage ≪2020 ≫, § 2247 Rn. 6).

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Senat der Ansicht, dass es sich bei dem Testament vom 08.07.2011 in jeder Hinsicht eine wirksame Verfügung von Todes handelt.

a) Das Testament ist formwirksam errichtet, § 2247 Abs. 1 BGB. Der Erblasser hat die Verfügung handschriftlich errichtet und eigenhändig unterschrieben. Dies war auch unter den Beteiligten zu keinem Zeitpunkt streitig.

b...

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