Entscheidungsstichwort (Thema)

HateAid

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Recht auf freie Anwaltswahl gemäß § 3 Abs. 3 BRAGO wird nicht durch ein freiwilliges Prozessfinanzierungsangebot (zur Unterstützung der Bekämpfung von Hassrede und Beleidigung im Internet) beeinträchtigt, wenn die Kostenübernahme an die Bedingung geknüpft ist, dass die vom Prozessfinanzierer vorgeschlagene Anwaltskanzlei beauftragt wird oder - bei Wahl eines anderen Anwalts - der Prozessfinanzierer dem im Einzelfall zustimmt.

2. Eine gemeinnützige GmbH, die Opfern von Hassrede im Internet Unterstützung anbietet und sich eine Vollmacht für die "Interessenvertretung im außergerichtlichen Verfahren" unter anderem zur "Beschwerdeführung" erteilen lässt, bietet eine Rechtsdienstleistung in einer konkreten fremden Rechtsangelegenheit an.

 

Normenkette

BRAO § 3 Abs. 3; RDG § 3; UWG § 3 a

 

Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 31 O 259/19)

 

Tenor

Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 18.02.2020 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 259/19 - wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 18.02.2020 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 259/19 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln vom 18.11.2019 (31 O 259/19) wird hinsichtlich des Verbotstenors zu Ziff. 1.c bestätigt.

Im Übrigen wird die einstweilige Verfügung aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz und die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Antragstellerin zu 2/3 und der Antragsgegnerin zu 1/3 auferlegt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin ist eine auf Medien- und Äußerungsrecht spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei. Die Antragsgegnerin ist eine gemeinnützige GmbH, die sich aus Spendengeldern und Fördergeldern öffentlicher Institutionen finanziert. Zu ihren Zielen gehört insbesondere die Beratung von Personen, die im Internet von Hassreden und Beleidigungen betroffen sind. Die Antragsgegnerin bietet Opfern digitaler Gewalt Unterstützung an. Ein Teil des Angebots besteht in einer rechtlichen Beratung, zu der externe Rechtsanwälte hinzugezogen werden. Ergibt eine Vorprüfung, dass ein rechtliches Vorgehen gegen den Schädiger aussichtsreich ist, bietet die Antragsgegnerin den Betroffenen unter bestimmten Voraussetzungen eine Übernahme der Prozesskosten an.

Wendet sich ein Betroffener an die Antragsgegnerin, so erhält er von dieser drei Dokumente zur Unterzeichnung: erstens eine auf eine Rechtsanwaltskanzlei ausgestellte Prozessvollmacht, zweitens eine auf die Antragsgegnerin selbst ausgestellte Vollmacht zur "Interessenvertretung in außergerichtlichen Verfahren" und drittens eine "Rahmenvereinbarung über die Finanzierung der Durchsetzung von Ansprüchen im Zusammenhang mit der Abwehr von Persönlichkeitsrechtsverletzungen und Straftaten im Internet". Die Rahmenvereinbarung sieht vor, dass der Betroffene als Vergütung für die Finanzierung der Prozesskosten sämtliche Geldforderungen und sonstige Vermögensvorteile aus der Durchsetzung der Ansprüche (z.B. Schmerzensgeld) an die Antragsgegnerin abtritt. Weiter heißt es unter § 1 Abs. 4 der Vereinbarung u.a.:

"Die Übernahmeerklärung erfolgt unter der Bedingung, dass Sie eine von uns bei Erteilung der Übernahmeerklärung vorgeschlagene Anwaltskanzlei beauftragen. Wollen Sie stattdessen eine andere Anwaltskanzlei beauftragen, steht die Kostenübernahme unter dem Vorbehalt unserer gesonderten Zustimmung im jeweiligen Einzelfall."

Auf ihrer Webseite warb die Antragsgegnerin im September 2019 damit, dass sie für die Durchsetzung der rechtlichen Ansprüche "mit spezialisierten Jurist*innen, unter anderem der L. Kanzlei Frankfurt" zusammenarbeite.

Unter dem 18.11.2019 erwirkte die Antragstellerin eine einstweilige Verfügung, mit der der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt wurde,

1.a im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei Abschluss eines Vertrages zur Finanzierung der Durchsetzung von Ansprüchen im Zusammenhang mit der Abwehr von Persönlichkeitsrechtsverletzungen und Straftaten im Internet sich bei im Übrigen positiver Kostenübernahmeerklärung vorzubehalten, einen Rechtsanwalt zur Rechtsvertretung selbst zu benennen, ohne an die Benennung eines vom Vertragspartner ausgewählten Rechtsanwalts gebunden zu sein, wie geschehen unter § 1 des Vertrages gem. Anlage Ast 7 und nachstehend wiedergegeben:

"Die Übernahmeerklärung erfolgt unter der Bedingung, dass Sie eine von uns bei Erteilung der Übernahmeerklärung vorgeschlagene Anwaltskanzlei beauftragen. Wollen Sie stattdessen eine andere Anwaltskanzlei beauftragen, steht die Kostenübernahme unter dem Vorbehalt unserer gesonderten Zustimmung im jeweiligen Einzelfall."

1.b im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs mit der Aussage

"Für die Durchsetzung der rechtlichen Ansprüche arbeiten wir mit spezial...

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