Entscheidungsstichwort (Thema)

Volljährigenunterhalt: Alleinige Inanspruchnahme eines Elternteils

 

Leitsatz (amtlich)

Im Unterhaltsprozess des volljährigen Kindes gegen nur einen zur Zahlung von Barunterhalt verpflichteten Elternteil kann durch den Inanspruchgenommenen dem klagenden Kind nicht entgegengehalten werden, dass zur Berechnung des dann nur anteilig aufzubringenden Unterhalts dem anderen auch barunterhaltspflichtigen Elternteil ein fiktives Einkommen aus einer vollschichten Erwerbstätigkeit zuzurechnen ist.

Eine etwaige Verletzung der Erwerbsobliegenheit hat nämlich allein dieser Elternteil zu vertreten, nicht aber das unterhaltsberechtigte Kind selbst. Deshalb kann es dem Rechtsgedanken des § 1607 Abs. 2 Satz 1 BGB folgend allein den anderen leistungsfähigen Elternteil in Anspruch nehmen. Nach der genannten Vorschrift kann nämlich ein Unterhaltsberechtigter sogar einen nachrangig Haftenden in Anspruch nehmen, wenn die Rechtsverfolgung ggü. dem vorrangig haftenden ausgeschlossen oder erschwert ist. Dem Inangespruchgenommenen hingegen bleibt es unbenommen zu versuchen, gegen den anderen Unterhaltspflichtigen Regress zu nehmen (vgl. Wendl/Staudigl/Klinkhammer, "Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis", 7. Aufl., § 2 Rz. 4; Palandt/Diederichs, BGB, 68. Aufl., § 1607 Rz. 11; OLG Hamm FamRZ 2006, 1479; OLG Brandenburg FamRZ 2004, 396).

 

Normenkette

BGB § 1607 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Bonn (Urteil vom 12.12.2008; Aktenzeichen 45 F 156/08)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des AG - Familiengericht - Bonn vom 12.12.2008 - 45 F 156/08 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine monatliche Unterhaltsrente, fällig bis zum 3. Werktag eines Monats, beginnend mit September 2008 bis Dezember 2008i.H.v. 130 EUR abzgl. freiwillig gezahlter 115 EUR und ab Januar 2009 eine monatliche Unterhaltsrente i.H.v. 120 EUR, abzgl. freiwillig gezahlter 83 EUR zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin ist, soweit sie nach ihrer teilweisen Rücknahme im Verhandlungstermin noch aufrecht erhalten blieb, begründet.

Der Beklagte schuldet der Klägerin ab Aufnahme ihres Studiums im September 2008 Ausbildungsunterhalt.

Da sie seit diesem Zeitpunkt einen eigenen Haushalt unterhält, beträgt ihr Bedarf nach den Kölner Unterhaltsleitlinien monatlich 640 EUR.

Davon sind 356 EUR an Bafög-Leistungen abzusetzen, sowie das volle Kindergeld von zunächst 154 EUR und ab Januar 2009 von 164 EUR. Ihr Bedarf beträgt somit ab September 2008 130 EUR, ab Januar 2009 120 EUR monatlich.

Für diese Beträge ist der Beklagte auch leistungsfähig.

Hinsichtlich der Höhe des ihm zuzurechnenden Einkommens verweist der Senat in vollem Umfang auf seine Feststellungen und Berechnungen im vorangegangenen Verfahren 4 UF 80/08 (= 45 F 255/07 AG Bonn) und sein dort ergangenes Urteil zum Trennungs- und Kindesunterhalt vom 23.9.2008, das Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Danach hat sich der Beklagte aus unterhaltsrechtlicher Sicht in vorwerfbarer Weise selbst die Grundlagen für seine selbständige Tätigkeit entzogen. Dieses leichtfertige Verhalten rechtfertigt es, den Beklagten weiterhin so zu behandeln, als erziele er auch in Zukunft die früher aus selbständiger Tätigkeit erwirtschafteten Einkünfte von monatlich netto 3.998 EUR.

Der Beklagte hat in diesem Verfahren keinerlei Tatsachen vorgetragen, die eine abweichende Bewertung rechtfertigen könnten. Insbesondere gibt es keinen Grund, im Verhältnis zu der wegen ihres Studiums unterhaltsberechtigten Tochter andere Maßstäbe anzulegen als ggü. der getrennt lebenden Ehefrau (vgl. z.B. Wendl/Staudigl/Klinkhammer, "Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis", 7. Aufl., § 2 Rd. Nr. 413 f. m.w.N.).

Vom fiktiven Einkommen des Beklagten von monatlich 3.998 EUR sind vorweg abzuziehen 336 EUR für den Unterhalt für O., die minderjährige Halbschwester der Klägerin, sowie der titulierte Trennungsunterhalt i.H.v. 1.193 EUR, so dass 2.469 EUR als hier zu berücksichtigendes unterhaltspflichtiges Einkommen des Beklagten verbleiben.

Der Unterhalt für N., den volljährigen Bruder der Klägerin ist nicht vorweg abzusetzen, weil die Klägerin und N. gleichrangig sind.

Nach Abzug des angemessenen Selbstbehalts von 1.100 EUR, der ggü. volljährigen Kindern zu berücksichtigen ist, verbleiben dem Beklagten 1.369 EUR, so dass der Beklagte den von der Klägerin geltend gemachten Bedarf von zunächst 130 EUR, ab Januar 120 EUR, ebenso decken kann wie den Unterhalt für N. in ähnlicher Höhe.

Eine rechnerische Beteiligung der Mutter der Klägerin am Unterhalt für die Klägerin kommt in diesem Verfahren nicht in Betracht.

Zwar haben sich mit Volljährigkeit eines Kindes grundsätzlich beide Eltern im Verhältn...

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