Entscheidungsstichwort (Thema)

Eigentumsvermutung. gestellter Kraftfahrzeugunfall

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hatte der Kläger unmittelbaren Besitz an dem beschädigten Fahrzeug, so gilt nach § 1006 Abs. 1 BGB zu seinen Gunsten die Vermutung der Erlangung von Eigenbesitz und damit auch der Eigentümerstellung.

2. Für einen gestellten Unfall ist typisch, dass er nicht schwer beherrschbar und mit einer offensichtlichen und erheblichen Gefahr für Leben oder Gesundheit des beteiligten Fahrers verbunden ist. Die Unbeherrschbarkeit und besondere Gefahrenträchtigkeit des Unfallherganges ist im Gegenteil ein ganz gewichtiger Umstand, der für einen nicht gestellten Unfall spricht.

 

Normenkette

BGB §§ 823, 1006; StVG § 18; VVG § 115

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 02.10.2014; Aktenzeichen 29 O 172/12)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 2.10.2014 verkündete Urteil der 29. Zivilkammer des LG Köln - 22 O 125/13 - wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Kläger 12.122,54 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.11.2011 sowie Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten i.H.v. 837,52 EUR zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 10 % und die Beklagte zu 90 %.

4. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

(Von einer Darstellung des Sach - und Streitstandes wird nach §§ 540 Abs. 2, 313a ZPO abgesehen.)

I. Die zulässige Berufung ist ganz überwiegend begründet.

Die Beklagte ist dem Kläger aus dem Unfallsereignis vom 22.9.2011 nach §§ 7, 18 StVG, 823 BGB, § 115 VVG als den Schaden regulierender Haftpflichtversicherer des Unfallsgegners zum Schadensersatz i.H.v. 12.122,54 EUR verpflichtet.

1. Der Kläger ist als Eigentümer des beschädigten Fahrzeuges aktivlegitimiert. Er hat der Beklagten zum Nachweis seines Eigentums einen schriftlichen Kaufvertrag, der ihn als Käufer ausweist, und die auf ihn ausgestellte Zulassungbescheinigung I (Anl. 2 zur Klageerwiderung, Bl. 43 und 44 d.A.) vorgelegt und im weiteren Verlauf des Verfahrens die ihn ebenfalls als Inhaber aufführende Zulassungbescheingung II (Bl. 80 d.A.) zur Akte gereicht. Die Beklagte bestreitet zwar unter Hinweis auf die von ihr vorgelegten Auszüge aus polizeilichen Ermittlungsakten, dass der Kläger das Fahrzeug erworben habe (Schrifstatz vom 22.7.2013, Bl. 92 ff. d.A.). Dies ist aber unerheblich. Ungeachtet der Frage, ob die Überlassung der Ermittlungsakten an die Beklagte datenschutzrechtlich zulässig war und ob sie demnach als Beweismittel überhaupt verwertet werden dürfen, sind die aus ihnen hergeleiteten Bedenken nicht geeignet, die Eigentümerstellung in Frage zu stellen. Unstreitig hatte der Kläger unmittelbaren Besitz an dem Fahrzeug. Zu seinen Gunsten gilt daher nach § 1006 Abs. 1 BGB die Vermutung der Erlangung von Eigenbesitz und damit auch der Eigentümerstellung (vgl. BGH NJW 1975, 1269; NJW 1994, 939, 940; NJW-RR 1989, 651; NJW 2004, 317, 319; NJW-RR 2005, 280, 281; Baldus in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 1006 Rz. 35; Baumgärtel/Prütting/Laumen, Handbuch der Beweislast, 3. Aufl., BGB Sachenrecht, § 872 Rz. 1 und § 1006 Rz. 16). Zur Eigentümerstellung des Klägers bedarf es daher keines weiteren Beweises; vielmehr hätte die Beklagte das Gegenteil beweisen müssen (BGH NJW 1994, 939, 940; NJW-RR 2005, 280, 281). Die von ihr unter Bezug auf die Ermittlungsakten angeführten Zweifelsmomente bewegen sich im Bereich der bloßen Spekulation. Sie sind nicht geeignet, die Eigentumsvermutung zu widerlegen. Sonstige Beweise hat die Beklagte nicht angetreten.

2. Die Beklagte haftet dem Grunde nach in vollem Umfang.

a) Der Unfall geschah dadurch, dass der bei der Beklagten versicherte Lkw auf der BAB 1 in Fahrtrichtung L in Höhe km 384,6 in einem Baustellbereich vom rechten in Richtung des linken Fahrstreifens ausscherte und das dort in gleicher Fahrtrichtung fahrende Fahrzeug des Klägers gegen die den linken Fahrstreifen begrenzende Schutzeinrichtung drängte. Nach § 7 Abs. 5 StVO darf ein Fahrstreifen nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Wegen der hohen Sorgfaltsanforderungen des § 7 Abs. 5 StVO ist grundsätzlich von einer vollen Haftung des Spurwechslers auszugehen. Steht die Kollision - wie hier - in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Spurwechsel, so spricht der Anscheinsbeweis für die Missachtung der Sorgfaltspflichten, die für den Spurwechsler gelten (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Aufl., § 7 StVO Rz. 25 m.w.N.).

b) Die Beklagte bestreitet den äußeren Unfallhergang nicht konkret, insbsondere stellt sie den Zusammenstoß der Fahrzeuge nicht in Abrede, wendet aber ein, der Unfall sei vom Kläger bewusst herbeigeführt worden. Das LG ist dem gefolgt und hat deshalb die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit Erfolg. Dass er den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hätte, hat die hierf...

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