Normenkette

ZPO § 139 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 09.06.2005; Aktenzeichen 14 O 444/04)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9.6.2005 verkündete Urteil des LG Köln - 14 O 444/04 - aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung an das LG zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens vorbehalten bleibt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Vergütung von Ingenieurleistungen in Anspruch. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und zu den in erster Instanz gestellten Anträgen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das LG hat der Klage nur wegen eines Teils des geltend gemachten Zinsanspruches nicht stattgegeben. Mit seiner Berufung wendet sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung, weil das LG das Bestehen von Gegenrechten verneint hat.

Sie hält an ihrer Meinung fest, dass Werkvertragsrecht aufgrund der ausdrücklichen Vereinbarung im Rahmenvertrag anzuwenden sei. Dies ergebe sich schon aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit. Der vom Kläger geltend gemachte Werklohn sei bis heute mangels Abnahme nicht fällig. Falls aber aus irgendeinem Grunde Fälligkeit eingetreten sein sollte, sei die Klageforderung infolge der erklärten hilfsweisen Aufrechnung erloschen. Die Ansicht des LG, sie habe einen Schadenersatzanspruch nicht schlüssig dargelegt, sei rechtlich unhaltbar. Jedenfalls habe es gegen § 139 ZPO verstoßen, weil der von ihm gegebene Hinweis nicht detailliert genug gewesen sei, so dass sie dem nicht habe entnehmen können, was sie zusätzlich habe vortragen sollen. Zumindest stehe ihr ein Zurückbehaltungsrecht wegen mangelhafter Werkleistung des Klägers zur Seite.

Entgegen ihrem Vorbringen in erster Instanz bestreitet die Beklagte nunmehr nicht mehr, dass der Kläger Arbeiten im Hinblick auf das Bauprojekt Q Nord, ABS 23, PH S, erbracht hat.

Auch die Streithelferin vertritt die Ansicht, es liege ein Werkvertrag vor. Das LG habe sich über den ausdrücklichen Parteiwillen hinweggesetzt. Unabhängig von der rechtlichen Einordnung des Vertrages habe es jedoch unzutreffender Weise ausgeführt, es bestehe weder ein Zurückbehaltungsrecht noch sei die Klageforderung im Wege der Aufrechnung erloschen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des LG Köln vom 29.6.2005 - 14 O 444/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Streithelferin schließt sich diesem Antrag an.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, das Urteil aufzuheben und die Sache an das LG zurückzuverweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil entgegen ihres erstinstanzlichen Vortrages dahin, dass tatsächlich ein Dienstvertrag vorliege. Da die Beklagte in erster Instanz unzulässiger Weise mit Nichtwissen bestritten habe, sei ihr nunmehriger anderslautender Vortrag in der Berufungsinstanz nicht zuzulassen. Das anderslautende Vorbringen der Streithelferin in erster Instanz habe in Widerspruch zu demjenigen der Hauptpartei gestanden, so dass auch dieses nicht zu berücksichtigen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Senat ausführliche Hinweise erteilt und den Parteien vorbehalten, hierzu schriftsätzlich Stellung zu nehmen. Insoweit wird auf die aufgrund dessen eingegangenen Schriftsätze der Parteien verwiesen.

II. Die Berufung der Beklagten ist zulässig.

In der Sache selbst hat das Rechtsmittel (vorläufigen) Erfolg. Es führt gem. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO auf den Hilfsantrag des Klägers hin zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das LG. Das erstinstanzliche Urteil leidet an gravierenden Verfahrensmängeln, auf denen es beruht. Es wird nunmehr eine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich werden.

1. Das LG hat seiner Hinweispflicht aus § 139 Abs. 2 ZPO nicht im erforderlichen Umfang entsprochen. Zudem deckt sich der in einem Beschluss gegebene Hinweis jedenfalls teilweise nicht mit der Urteilsbegründung, so dass insoweit Widersprüchlichkeit gegeben ist.

a) Im Zuge der Reform des Zivilprozessrechtes hat der Gesetzgeber die Pflichten des Gerichts verschärft, durch Hinweise auf eine vollständige Erklärung über alle erheblichen und prozessualen Tatsachen hinzuwirken. Hierzu zählt auch der Hinweis darauf, eine zu allgemein gehaltene Darstellung zu substantiieren. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll eine vollständige Darstellung des Sachverhaltes schon in erster Instanz erfolgen, wovon er sich ein Verfahrensbeschleunigung verspricht. Genügt das Gericht seiner Hinweispflicht nicht, so liegt - wie im vorliegenden Fall - ein Verfahrensfehler in Form der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor.

Ist der Grundsatz weitestgehend unstreitig, so werden im Hinblick auf die Hinweispflichten in Anwaltsprozessen durchaus Einschränkungen befürwortet (s. hierzu: OLG Rostock v. 22.7.2005 - 6 U 132/04, OLGReport Ro...

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