Leitsatz (amtlich)

Zum Begriff des "Einbaus" bzw. des "Anbringens" bei § 439 Abs. 3 BGB

 

Normenkette

BGB § 439 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Aktenzeichen 30 O 5/21)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 5. Mai 2021 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn - 30 O 5/21 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Dieses Urteil und das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts Bonn sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Am 27. Juli 2018 bestellte die Klägerin bei der Beklagten eine Vielzahl nahtloser Rohre aus nicht rostendem austenetischem Edelstahl mit der Werkstoffbezeichnung 316 L zum Preis von 785.038,64 EUR (Anlagen K 2 und 3 zur Klageschrift). Die Klägerin benötigte die Rohre, um für einen Auftraggeber auf zwei Kreuzfahrtschiffen Rohrleitungssysteme zum Transport von LNG-Gas zu montieren. Die Beklagte bestellte die Rohre ihrerseits bei einem indischen Unternehmen. Nach der Lieferung der Rohre zeigte die Klägerin der Beklagten angebliche Materialfehler an (vgl. das als Anlage K 10 zur Klageschrift vorgelegte Privatgutachten). Die Beklagte tauschte daraufhin die beanstandeten Rohre "ohne Anerkennung der Reklamation" aus.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe vor Entdeckung der Materialfehler mit der Vorfertigung der Rohrleitungssysteme in ihrem Werk in A begonnen. Die Vorfertigung bestehe darin, die Rohre zu sogenannten Rohrleitungsspools zusammenzubauen beziehungsweise an von ihr vorbereiteten Nähten zusammenzuschweißen; anschließend müssten die Rohre zu Reinigungszwecken gebeizt und angestrichen werden (vgl. die Anlage K 5 zur Klageschrift). Auf Grund der Materialfehler habe sie die Vorfertigung eingestellt. Sie habe sodann die bereits errichteten Spools wieder demontiert, um bei der Errichtung verwendete Bauteile im Rahmen einer zweiten Vorfertigung erneut verwenden zu können. So habe sie circa 1.300 Rohrleitungsfittinge und circa 250 Messstutzen ausgebaut und aufgearbeitet. Anschließend habe sie unter Verwendung der nachgelieferten mangelfreien Rohre neue Rohrleitungsspools gefertigt.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten zum einen Ersatz derjenigen Kosten, die ihr angeblich auf Grund der Demontage der im Rahmen der ersten Vorfertigung montierten Spools sowie der Aufbereitung der Fittinge und Messstutzen entstanden sind. Zum anderen verlangt sie Ersatz der Kosten, die ihr angeblich auf Grund der erneuten Vorfertigung bis zum Erreichen des Leistungsstandes der ersten Vorfertigung entstanden sind (vgl. die Schadensaufstellung in der Anlage K 33 zur Replik, Blatt 622 ff. der Akten).

Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts und des streitigen Parteivorbringens in erster Instanz sowie wegen der erstinstanzlichen Anträge wird auf den mit Beschluss vom 17. Juni 2021 berichtigten Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Mit diesem Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, Schadensersatzansprüche bestünden jedenfalls deshalb nicht, weil die Beklagte als Händlerin etwaige Mängel der von ihr nicht selbst hergestellten Rohre nicht zu vertreten habe und ihr ein Verschulden des Herstellers nicht zuzurechnen sei. Auch ein verschuldensunabhängiger Aufwendungsersatzanspruch nach § 439 Abs. 3 BGB stehe der Klägerin nicht zu, weil die geltend gemachten Kosten weder durch den Einbau der Rohre in eine andere Sache noch durch die Anbringung der Rohre an eine andere Sache entstanden seien. Vielmehr habe die Klägerin die Rohre unter Verwendung einer Vielzahl von weiteren Bauteilen und unter erheblichem Arbeitsaufwand, der sich in der Höhe der Klageforderung spiegele, zu einem komplexen Rohrleitungssystem zum Transport von tiefgekühltem Gas zusammengefügt. Sie habe so eine neue Sache hergestellt, die sich mit ihrer Bezeichnung, ihrem Erscheinungsbild und ihrer weitergehenden Funktion von den einzelnen Rohren abhebe. § 439 Abs. 3 BGB sei nicht so weit auszulegen, dass er einen solchen Fall erfasse.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie rügt, das Landgericht sei fehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, dass der vorliegende Sachverhalt nicht unter den Tatbestand des § 439 Abs. 3 BGB zu subsumieren sei. Bei der Montage der Rohre handele es sich um ein "Anbringen" im Sinne der Vorschrift, weil die Rohre durch Verbindungselemente verbunden und somit ein montierter Rohrleistungsspool erstellt werde; hierdurch würden die Rohre in ihrer Substanz nicht verändert. Dies könne allerdings auch dahinstehen, weil sowohl nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs als auch nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers über den Wortlaut des § 439 Abs. 3 BGB hinaus auch andere Veränderungen des Kaufgegen...

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