Entscheidungsstichwort (Thema)

Vermächtnis

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Vorausvermächtnis liegt vor, wenn dem Vermächtnisnehmer zusätzlich zu seinem Erbteil ein Vermögensvorteil zugewendet wird, den er sich nicht auf sein Erbteil anrechnen lassen muß; durch die rechtliche Selbständigkeit ist das Vorausvermächtnis von der Erbenstellung unabhängig.

2. Nach § 2288 Abs. 2 BGB ist der Erbe verpflichtet, dem Bedachten den Gegenstand zu verschaffen, wenn der Erblasser ihn in der Absicht, den Bedachten zu beeinträchtigen, veräußert hat.

 

Normenkette

BGB §§ 2150, 2170 Abs. 2, § 2288

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 17.06.1996; Aktenzeichen 20 O 577/95)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 17. Juni 1996 – 20 O 577/95 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

I. Die Beklagte wird verurteilt, die im Souterrain des Hauses H.straße 8, K. gelegene ehemaligen Arztpraxisräume hinten links, bestehend aus 2 Zimmern, Diele und WC, insgesamt 43 qm groß, geräumt an die Klägerin herauszugeben.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen

II. Auf die Widerklage

  1. wird die Klägerin verurteilt, der Beklagten ungehinderten Nießbrauch zu gewähren,

    1. an der Wohnung des 4. OG des Hauses H.str. 8, K., durch Selbstnutzung wie durch eigennützige Vermietung;
    2. an der Wohnung im 3. OG des Hauses H.str. 8, K. sowie an der im Untergeschoß des Hauses rechts gelegenen Garage durch Zuwendung der jeweiligen Bruttomieteinnahmen mit der Maßgabe, daß die Mieten jeweils unmittelbarvom Mieter an sie zu zahlen sind;
  2. wird der Klägerin aufgegeben, sich jeglicher Verfügung zu enthalten, die den Bestand und die wirtschaftliche Durchsetzbarkeit der im Widerklageantrag zu 1a) und 1b) bezeichneten Nießbrauchsrechte zu gefährden oder zu vernichten geeignet sein könnten;
  3. wird die Klägerin verurteilt, die gesamten – auch alle zwischenzeitlichen – durch den Mieter L. beim AG Köln zu Gesch.-Nr. 31 HL 524/95 hinterlegten Mieten für die Wohnung im 3. OG des Hauses H.straße 8 bzw. der im Haus unten rechts gelegenen Garage nebst etwa angefallenen Hinterlegungszinsen zugunsten der Beklagten freizugeben.

Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Klägerin 76,5 %, die Beklagte 23,5 % zu tragen; die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin und der Streitverkündeten je zur Hälfte auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in vollem Umfang Erfolg (der unter Ziffer 1a) des landgerichtlichen Urteils tenorierte Anspruch der Klägerin ist mit der Berufung nicht angegriffen worden).

Entgegen der Ansicht des Landgerichts kann die Klägerin nach §§ 985, 987 BGB weder die Herausgabe der im 4. OG gelegenen Wohnung noch die Bruttomieteinnahmen für die im 3. OG gelegene Wohnung von der Beklagten verlangen. Denn der Beklagten stehen das Nutzungsrecht an der Wohnung und die Mieteinnahmen nach §§ 1939, 2147, 2174 BGB aufgrund des ihr in Ziffer 8 b des Erbvertrages vom 12.3.1975 (Anlagenhefter Bl. 5, 9 f.) zugewandten Vermächtnisses zu.

1. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist das Vermächtnis mit dem Tod von Prof. Dr. med. K. D. (Erblasser) angefallen (§ 2176 BGB); es handelte sich um kein aufschiebend durch den Anfall des Vorerbes bedingtes Vermächtnis. Eine derartige Abhängigkeit läßt sich aus der vertraglichen Regelung nicht herleiten. Die Parteien des Erbvertrages haben in Ziffer 4 geregelt, wer Erbe des Überlebenden sein sollte für den Fall, daß der Überlebende eine letztwillige Verfügung nicht treffen sollte; für diesen Fall, der durch die von H. D. getroffene letztwillige Verfügung vom 3.3.1993 nicht eingetreten ist, sollte die Beklagte befreite Vorerbin zu ¼ werden. Dagegen steht die in Ziffer 8 getroffene Anordnung des Vorausvermächtnisses unter keiner derartigen Einschränkung; auch belegt das von der Beklagten vorgelegte Schreiben des Erblassers vom 10.2.1975 eindeutig, daß es ihm darum ging, die Beklagte wegen ihrer Verdienste um die Familie „sorgenlos versorgt” bzw. „im Alter sorgenlos zu wissen” (Bl. 128 d.A.), weshalb sie auch „über das Vermächtnis hinausgehend” am Erbe beteiligt werden sollte.

Desweiteren vermag auch der im Vertrag verwandte Begriff „Vorausvermächtnis” die Ansicht der Klägerin nicht zu stützen. Ein Vorausvermächtnis liegt vor, wenn dem Vermächtnisnehmer zusätzlich zu seinem Erbteil ein Vermögensvorteil zugewendet wird, den er sich nicht auf sein Erbteil anrechnen lassen muß; durch die rechtliche Selbständigkeit ist das Vorausvermächtnis von der Erbenstellung unabhängig (vgl. Palandt – Edenhofer, BGB, 54. Aufl., § 2150 Rn 3).

Schließlich läßt sich auch aus Ziffer 8 c des Vertrages nichts zugunsten der Klägerin herleiten. Diese Regelung räumte entsprechend der Regelung des § 2299 BGB den Vertragsparteien lediglich das Recht ein, beliebige zusätzliche Vermächtnisse auszusetzen, berührte also nicht den Bestand bereits gemeinsam getroffener. Andererseits ergibt sich aber aus Ziffer 8 c, daß der Überlebende an die getroffenen Vermächtnisse...

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