Leitsatz (amtlich)

Zum Teilentzug der elterlichen Sorge nach § 1666 BGB, wenn Eltern sich beharrlich weiger, ihr Kind einer öffentlichen Schule oder einer anerkannten Ersatzschule zuzuführen, um ihnen stattdessen selbst "Hausunterricht" zu erteilen.

 

Verfahrensgang

AG Waldbröl (Beschluss vom 04.09.2012; Aktenzeichen 12 F 76/12)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegner vom 17.9.2012 wird zurückgewiesen.

Zur Klarstellung wird der am 4.9.2012 erlassene Beschluss des AG - Familiengericht - Waldbröl (12 F 76/12) wie folgt neu gefasst:

Den Kindeseltern wird für ihr Kind H, geb. am 2.2.2001 einstweilen das Recht zur Regelung der schulischen Angelegenheiten inklusive der Zuführung des Kindes zur Schule sowie das Recht zur Beantragung von Hilfen zur Erziehung in schulischen Angelegenheiten entzogen und insoweit Ergänzungspflegschaft angeordnet.

Zum Ergänzungspfleger wird das Kreisjugendamt des S-Kreises in F bestellt.

Von der Erhebung von Gerichtskosten für das erstinstanzliche Verfahren wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden nicht erstattet.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden den Antragsgegnern auferlegt.

Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die Beschwerde der Kindeseltern vom 17.9.2011 ist zulässig, soweit sie sich gegen den Beschluss des AG Waldbröl vom 4.9.2012 richtet. Die Kindeseltern wenden sich inhaltlich gegen den vom AG - Familiengericht - angeordneten Teilentzug ihres Sorgerechts.

Entgegen der Hinweise in der Rechtsmittelbelehrung war allerdings die zunächst ohne mündliche Verhandlung erlassene einstweilige Anordnung vom 15.8.2012, berichtigt durch Beschluss vom 16.8.2012, gem. § 57 Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht anfechtbar. Statthaft ist eine Beschwerde gegen eine einstweilige Anordnung im Sorgerechtsangelegenheiten nur, wenn das Gericht aufgrund mündlicher Erörterung entscheidet (§ 57 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 FamFG). Eine mündliche Erörterung der Sache fand erst in dem anberaumten Termin vom 4.9.2012 statt, auch wenn die ordnungsgemäß geladenen Kindeseltern diesen Termin unentschuldigt nicht wahrgenommen haben.

In dem Termin vom 4.9.2012 hat das AG beschlossen, die einstweilige Anordnung bezüglich des Entzugs des Rechts zur Regelung aller schulischen Angelegenheiten inklusive der Zuführung des Kindes H sowie alle damit im Zusammenhang stehenden Rechte und der Beantragung zur Hilfe zur Erziehung aufrechtzuerhalten. Der Senat legt den in der mündlichen Verhandlung vom 4.9.2012 verkündeten Beschluss nach dem Prinzip der Meistbegünstigung als Entscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren aufgrund mündlicher Erörterung aus und nicht als Endentscheidung im Hauptsacheverfahren. Dafür spricht, dass in dem Beschluss ausdrücklich die erlassene einstweilige Anordnung aufrechterhalten wird, auch wenn dies "als endgültige familiengerichtliche Maßnahme" erfolgt. In der Begründung der einstweiligen Anordnung vom 15.8.2012 wird ausdrücklich eine Anhörung der Beteiligten angekündigt. Für die Kindeseltern war deshalb bei der Ladung zum Haupttermin nicht hinreichend deutlich erkennbar, ob in dem anberaumten Haupttermin nur die in der einstweiligen Anordnung vom 15.8.2012 angekündigte Anhörung nachgeholt werden sollte oder ob in einem daneben anhängigen Hauptsacheverfahren verhandelt werden sollte; zumal seit dem Erlass der einstweiligen Anordnung auch kein Antrag des Jugendamts zur Hauptsache vorlag. Es bestünden deshalb Bedenken, wenn das AG ohne entsprechende Klarstellung in der Ladung nach dem Erlass einer einstweiligen Anordnung im selben Verfahren im Termin ohne Anwesenheit der Kindeseltern eine Entscheidung zur Hauptsache verkündet hätte. Der Senat legt deshalb den Beschluss vom 4.9.2012 verfahrenskonform als einstweilige Anordnung aufgrund mündlicher Erörterung aus.

Gegen diese Entscheidung ist - im Gegensatz zu dem Beschl. v. 15.8.2012 - das Rechtsmittel der Beschwerde statthaft. Nach dem Prinzip der Meistbegünstigung geht der Senat deshalb davon aus, dass die Beschwerde der Kindeseltern sich gegen den in der mündlichen Verhandlung erlassenen Beschluss vom 4.9.2012 richtet. Der Beschluss vom 4.9.2012 wurde den Kindeseltern am 8.9.2012 zugestellt. Die am 17.9.2012 beim AG Waldbröl eingegangene Beschwerde der Kindeseltern war deshalb fristgerecht.

Die Beschwerde der Kindeseltern gegen den teilweisen Entzug der elterlichen Sorge für ihre Tochter H ist unbegründet. Aus Gründen der Klarstellung hat der Senat den Tenor der Entscheidung neu gefasst.

Der von den Kindeseltern erhobene Einwand der fehlenden Zuständigkeit des AG Waldbröl wegen der zwischenzeitlich erfolgten Abmeldung greift nicht durch. Für die örtliche Zuständigkeit gem. § 152 FamFG kommt es auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes in dem Zeitpunkt an, in dem das Gericht erstmals mit der Sache befasst worden ist. Nachträgliche Änderungen der Umstände, die die örtliche Zuständigkeit begründen, ändern nichts (§ 2 Abs. 2 FamFG). Ergänzend weis...

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