Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit bei familienrechtlichen Ausgleichsansprüchen

 

Normenkette

FamFG § 231 f., § 232

 

Verfahrensgang

AG Köln (Beschluss vom 26.05.2011; Aktenzeichen 323 F 135/11)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Köln vom 26.5.2011 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die in S. wohnende Antragstellerin begehrt vor dem AG Köln Verfahrenskostenhilfe für die Geltendmachung eines familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs für die Zeit der Minderjährigkeit ihrer Tochter. Sie ist insoweit allein für deren Unterhalt aufgekommen, weil der Antragsgegner seiner titulierten Unterhaltsverpflichtung nicht nachgekommen war. Das AG Köln hat die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe verweigert, weil es seine Zuständigkeit nicht für gegeben erachtet hat. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin.

II. Die gem. § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. §§ 127 Abs. 2, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

Zu Recht hat das AG Köln eine Zuständigkeit für den geltend gemachten Anspruch verneint, weil eine ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts nach § 232 Abs. 1 Nr. 2 FamFG gegeben ist.

Von der Rechtsnatur des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs her handelt es sich dabei zwar nicht um einen Unterhaltsanspruch, sondern um einen Ersatzanspruch gegenüber dem anderen Elternteil. Insoweit ist allerdings anerkannt, dass dieser Anspruch aus der gemeinsamen Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren Kindern folgt (BGH NJW 1984, 2158). Der Ausgleichsanspruch ist nach seinem tatsächlichen Grund eng mit der gesetzlichen Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber dem Kind verknüpft. Bestehen und Höhe des Ausgleichsanspruchs hängen davon ab, ob und inwieweit im Einzelfall eine Unterhaltspflicht des einen oder anderen Elternteils besteht und erfüllt worden ist. Wirtschaftlich gesehen handelt es sich um "rückständige Unterhaltsleistungen" (BGH FamRZ 1989, 603 = NJW 1989, 1356), deren Erstattung verlangt wird. Deshalb macht es keinen Unterschied, ob wegen des nicht gezahlten Unterhalts der Verpflichtete im Wege des gesetzlichen Forderungsübergangs wie im Falle des Eintritts der öffentlichen Hand in Anspruch genommen wird oder aufgrund eines gegenüber dem Unterhaltsanspruch eigenständigen Anspruchs. Dementsprechend hat der BGH den Ausgleichsanspruch praktisch einem Unterhaltsanspruch gleichbehandelt, indem er die Anwendbarkeit der unterhaltsrechtlichen Vorschrift des § 1613 BGB auf den familienrechtlichen Ausgleichsanspruch bejaht hat (BGH NJW 1984, 2158). Da der familienrechtliche Ausgleichsanspruch daher die gesetzliche Unterhaltspflicht betrifft, hat der BGH vor In-Kraft-Treten des FamFG für die Geltendmachung dieses Anspruchs die Zuständigkeit der Familiengerichte bejaht (BGHZ 71, 264; BGH FamRZ 1978, 672; FamRZ 1978, 770 und FamRZ 1979, 217) und diese Grundsätze auch auf die Frage der örtlichen Zuständigkeit angewandt (FamRZ 1989, 603 = NJW 1989, 1356). Aus diesen Gründen folgt der Senat auch nicht der abweichenden Auffassung des OLG Bremen (Beschl. v. 6.1.2010 - 4 AR 3/09, nach juris), wonach ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch nicht von der Zuständigkeitsregelung des § 642 Abs. 1 ZPO (der insoweit dem § 232 Abs. 1 Nr. 2 FamFG entspricht) erfasst werden soll, wobei die vorgenannten Argumente nicht erörtert wurden.

Aus den dargelegten Gründen kann es daher nicht zweifelhaft sein, dass familienrechtliche Ausgleichsansprüche zu den Unterhaltssachen i.S.v. § 231 FamFG zählen, weil dazu nicht nur die reinen Unterhaltsansprüche, sondern auch aus der Unterhaltspflicht abgeleitete Ansprüche gehören (vgl. Prütting/Helms/Bömelburg, FamFG, § 231 Rz. 5; Keidel/Weber, FamFG, 16. Aufl., § 231 Rz. 11; Bork/Jacoby/Schwab/Kodal, FamFG, § 231 Rz. 8; Musielak/Borth, Familiengerichtliches Verfahren, 2. Aufl. 2011, § 231 Rz. 5). Sie betreffen auch, wie es § 232 Abs. 1 Nr. 2 FamFG erfordert, aus den dargelegten Gründen die Unterhaltsp?icht für ein minderjähriges Kind oder ein nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB gleichgestelltes Kind (Keidel/Weber, a.a.O., § 232 Rz. 4; Zöller/Lorenz, ZPO, 28. Aufl., § 232 FamFG Rz. 2; a.A. Borth in Musielak/Borth, a.a.O., § 233 Rz. 8, wonach für solche Ansprüche § 266 FamFG gelte, im Gegensatz zu § 231 Rz. 5, wonach er § 231 FamFG für anwendbar hält).

Für die hier vertretene Auffassung sprechen zudem auch praktische Gründe. Wollte man eine Zuständigkeit nach § 232 Abs. 1 Nr. 2 FamFG für den familienrechtlichen Ausgleichsanspruch verneinen, könnte dies auch bei identischem Sachverhalt zu divergierenden Entscheidungen führen. Macht nämlich das volljährige Kind seinen Unterhaltsanspruch gegen den Kindesvater im Gerichtsstand nach § 232 Abs. 1 Nr. 2 FamFG geltend, und müsste die Kindesmutter ihren Ausgleichsanspruch für die Zeit vor der Volljährigkeit am Wohnort des Unterhaltspflichtigen geltend machen, könnte dies dazu führen, dass auch in Fällen, in denen sich die dem Kindesunterhaltsanspruch zugrunde liegenden Tatsachen i...

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