Entscheidungsstichwort (Thema)

familienrechtlicher Ausgleichsanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

Macht ein Elternteil Kosten für Nachhilfeunterricht des unterhaltsberechtigten Kindes geltend, handelt es sich nicht um einen Unterhaltsanspruch, sondern um einen familienrechtlichen Erstattungs-(Ausgleichs-)anspruch des einen Elternteils gegen den anderen. Auf dieses Verfahren ist § 642 I ZPO a.F. nicht anwendbar, da nicht die Durchsetzung des Kindesunterhalts und die Sicherung des Lebensunterhalts des Kindes im Streit steht. Für solche Verfahren ist deshalb die Zuständigkeit des AG als Wohnsitzgericht des Antragsgegners gem. § 12 ZPO gegeben.

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Verfahren, mit dem ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch (hier: betreffend Kosten für Nachhilfeunterricht) geltend gemacht wird, ist von der Zuständigkeitsregelung des § 642 Abs. 1 ZPO a.F. nicht erfasst.

 

Normenkette

ZPO § 642 Abs. 1, § 281 Abs. 2 S. 4

 

Verfahrensgang

AG Bremen (Aktenzeichen 62 F 2490/09)

 

Tenor

Als zuständiges Gericht wird das AG Delmenhorst bestimmt.

 

Gründe

Nachdem sowohl das AG Bremen als auch das AG Delmenhorst sich i.S.d. § 36 I Nr. 6 ZPO für örtlich unzuständig erklärt haben, hat der Senat gem. § 36 II ZPO das örtlich zuständige Gericht zu bestimmen. Zuständig ist das AG Delmenhorst.

Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Die Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe für eine eingereichte, aber noch nicht zugestellte Klage. Gegenstand der Klage sind Kosten für Nachhilfeunterricht des gemeinsamen Kindes der Parteien, das im Zeitpunkt der Entstehung der Kosten noch minderjährig war und bei der Antragstellerin gelebt hat. Die Antragstellerin macht die Forderung aus eigenem Recht geltend. Sie beruft sich darauf, dass sie die Kosten getragen habe, sie aber die - vertraglich vereinbarte - Übernahme der Kosten durch den Antragsgegner für das Kind wegen dessen inzwischen eingetretener Volljährigkeit nicht mehr durchsetzen könne. Im Hinblick darauf mache sie einen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch geltend (Schriftsatz vom 24.9.2009, Bl. 29 d.A.). Das AG - Familiengericht - Bremen, bei dem Klage und Prozesskostenhilfeantrag eingereicht worden sind, meint, Forderungen dieser Art betreffende Verfahren seien von der Zuständigkeitsbestimmung des § 642 I ZPO a.F. erfasst. Es handle sich um ein Verfahren, das die gesetzliche Unterhaltspflicht eines Elternteils gegenüber einem minderjährigen Kind betreffe (Sonderbedarf), so dass das Wohnsitzgericht des Kindes bzw. der Antragstellerin (hier: Delmenhorst) ausschließlich zuständig sei. Es hat das Verfahren antragsgemäß an das AG - Familiengericht - Delmenhorst verwiesen. Das AG Delmenhorst hält § 642 I ZPO a.F. nicht für anwendbar und hat die Übernahme abgelehnt.

Der Senat teilt die Auffassung des AG Delmenhorst. Die Antragstellerin macht keinen Unterhaltsanspruch des Kindes geltend, auch nicht einen Kindesunterhaltsanspruch aus übergegangenem Recht, sondern einen eigenen Anspruch. Sie ist für Kindesunterhalt (Sonderbedarf), für den nach der vertraglichen Vereinbarung vom 6.8.1999 der Antragsgegner aufkommen sollte, in Vorlage getreten und verlangt nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes Regress. Ein solcher Anspruch, der allgemein als familienrechtlicher Ausgleichsanspruch bezeichnet wird, betrifft wirtschaftlich rückständigen Kindesunterhalt, seiner Rechtsnatur nach ist er aber kein Unterhaltsanspruch, sondern ein Erstattungs-(Ausgleichs-)anspruch, und zwar ein Anspruch des einen Elternteils gegen den anderen (vgl. Wever, Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts, 5. Aufl. 2009, Rz. 895, 908 ff.). Nach Ansicht des Senats handelt es sich bei einem auf einen solchen Anspruch gestützten Verfahren nicht um ein Verfahren i.S.d. § 642 I ZPO a.F. (ebenso Musielak/Borth, ZPO, 5. Aufl., § 642 Rz. 5), auch wenn die Vorschrift - die hier gem. Art. 111 I FGG-RG hier grds. noch heranzuziehen ist - nach allgemeiner Auffassung weit auszulegen sein soll (etwa Coester-Waltjen in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 642 Rz. 2). Maßgebend ist dabei, dass in einem solchen Verfahren nicht die Durchsetzung des Kindesunterhalts und die Sicherung des Lebensunterhalts des Kindes im Streit steht (so zu Recht Borth, a.a.O.). Richtigerweise hätte daher für das vorliegende Verfahren die Zuständigkeit des AG Bremen als Wohnsitzgericht des Antragsgegners angenommen werden müssen (§ 12 ZPO).

Allerdings entfaltet der ordnungsgemäß zustande gekommene Verweisungsbeschluss des AG Bremen gem. § 281 II S. 4 ZPO Bindungswirkung. Der Beschluss ist insbesondere nach Gewährung rechtlichen Gehörs ergangen und entbehrt auch nicht jeder rechtlichen Grundlage (vgl. dazu Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 30. Aufl., § 281 Rz. 12). Im Gegenteil erscheint auch der vom AG Bremen eingenommene Standpunkt vertretbar, wie schon der Umstand zeigt, dass sich in der Literatur auch die Ansicht wiederfindet, der Ausgleichsanspruch des einen Elternteils gegen den anderen, der das Kindergeld bezieht, sei von § 642 I ZPO a.F. erfasst (so Zöller...

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