Leitsatz (amtlich)

Lässt der Einzelrichter, der über eine Beschwerde gem. § 66 Abs. 2 GKG zu entscheiden hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die weitere Beschwerde zu, anstatt die Sache auf die Kammer zu übertragen, stellt dies eine Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 GG) dar.

 

Normenkette

GKG § 7 Abs. 1, § 9 Abs. 2, § 62 Abs. 1, § 66 Abs. 4, § 72 Nr. 3; GG Art. 101 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Beschluss vom 09.09.2005; Aktenzeichen 3 T 279/05)

AG Düren (Aktenzeichen 33 K 42/04)

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) vom 23.11.2005 wird der Beschluss des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Aachen vom 9.9.2005 - 3 T 279/05 - aufgehoben. Die Sache wird an den zuständigen Einzelrichter des Beschwerdegerichts zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde des Beteiligten zu 2) vom 16.6.2005 zurückverwiesen.

 

Gründe

Die weitere Beschwerde der das LG durch Beschluss vom 10.1.2006 nicht abgeholfen hat, ist zulässig und hat auch in der Sache (vorläufig) Erfolg, weil das Beschwerdegericht nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen ist.

1. Das Rechtsmittel ist gem. des - vorliegend anwendbaren - § 66 Abs. 4 S. 1 GKG n.F. statthaft, weil das LG als Beschwerdegericht entschieden und die weitere Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Fragen zugelassen hat.

a) Die genannte Vorschrift des § 66 Abs. 4 S. 1 GKG mit der hierin - abweichend von dem früheren Recht (vgl. § 5 Abs. 1 und 2 GKG a.F.) - vorgesehenen Möglichkeit einer weiteren Beschwerde zum OLG (§ 66 Abs. 4 S. 3 GKG) ist hier anwendbar, obwohl der das Verfahren einleitende Zwangsversteigerungsantrag der E GmbH bereits im März 2004 bei dem AG eingegangen und das Verfahren damit bereits vor dem in der Übergangsbestimmung des § 72 Nr. 1 GKG genannten Stichtag (1.7.2004) anhängig geworden ist. Gemäß der Spezialvorschrift des § 72 Nr. 3 GKG kommt es nämlich u.a. in Verfahren der Zwangsversteigerung für die Frage des anwendbaren Rechts nicht auf die Anhängigkeit, sondern darauf an, ob die Kosten vor dem 1.7.2004 fällig geworden sind. Bei einer erst später eintretenden Fälligkeit findet das neue Kostenrecht Anwendung. So liegt - ausweislich der Feststellungen des LG in dem angegriffenen Beschluss - der Fall hier. Hiernach soll in dem ggü. dem Beschwerdeführer geltend gemachten Kostenbetrag i.H.v. insgesamt 1.269,93 EUR eine ½ Verfahrensgebühr gem. Nr. 2211 des KV zum GKG i.H.v. 1.178 EUR, Gutachterauslagen gem. Nr. 9005 des KV zum GKG i.H.v. 1.200,61 EUR sowie Veröffentlichungskosten i.H.v. 52,16 EUR gem. Nr. 9004 des KV zum GKG enthalten sein, wobei "die Summe im Hinblick auf die Firma E GmbH als weiteren Kostenschuldner halbiert" worden sei. Fällig wurden diese Gebühren bzw. Auslagen gem. § 7 Abs. 1 S. 3 GKG (Verfahrensgebühr) sowie gem. § 9 Abs. 2 Nr. 5 GKG (Auslagen) erst mit der Aufhebung des Zwangsversteigerungsverfahrens durch den Beschluss des AG vom 29.12.2004 und damit nach dem Stichtag des 1.7.2004.

b) Die von dem LG ausgesprochene Zulassung der weiteren Beschwerde ist ungeachtet der Frage wirksam, ob der Einzelrichter überhaupt anstelle des Kollegiums zur Entscheidung berufen war oder vielmehr das Verfahren gem. § 66 Abs. 6 S. 2 GKG auf die Kammer hätte übertragen werden müssen. Ein hierin etwaig liegender Verstoß gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters gem. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG (vgl. hierzu unten zu 3.) würde die Wirksamkeit der Zulassung der weiteren Beschwerde nicht berühren. Insoweit finden nach Auffassung des Senats dieselben Grundsätze Anwendung, die der BGH im Zusammenhang mit der Zulassung der Rechtsbeschwerde durch den Einzelrichter des Beschwerdegerichtes gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO entwickelt hat (vgl. hierzu grundlegend BGH v. 13.3.2003 - IX ZB 134/02, MDR 2003, 588 = BGHReport 2003, 627 = NJW 2003, 1254; v. 10.4.2003 - VII ZB 17/02, MDR 2003, 949 = BGHReport 2003, 901 = NJW-RR 2003, 936; NJW 2003, 3712). Angesichts der weitgehend identischen Formulierungen in den §§ 574 Abs. 1, Abs. 2, 568 ZPO einerseits und den - hier maßgeblichen - §§ 66 Abs. 4 S. 1, Abs. 6 S. 1 und 2 sowie S. 4 GKG andererseits gibt es für eine unterschiedliche Behandlung der identischen Rechtsfragen keine Grundlage. Auch die Zulassung einer - nicht kraft Gesetzes ausgeschlossenen - Rechtsbeschwerde gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist ungeachtet dessen wirksam, ob der Einzelrichter wegen der Vorschrift des § 568 S. 2 Nr. 2 ZPO überhaupt anstelle des Kollegiums entscheiden durfte. Der Senat ist deshalb an eine entsprechende Zulassung der weiteren Beschwerde i.S.d. § 66 Abs. 4 S. 1 GKG ebenso gebunden wie der BGH bei der Zulassung einer Rechtsbeschwerde gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Da der Beteiligte zu 2) die nunmehrige weitere Beschwerde auch entsprechend den Vorschriften des § 66 Abs. 5 S. 4 GKG bei dem LG eingelegt hat und die weitere Beschwerde keiner Frist unterliegt, ist sie insgesamt als zulässig anzusehen.

2. Zur Entscheidung über das Rechtsmittel berufen ist...

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