Entscheidungsstichwort (Thema)

Ehewohnungssache; unbillige Härte; neues Verfahrensrecht; Zurückweisung ohne Termin; Verfahrenswert

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es kann offen bleiben, ob und wann eine Einigung der Ehegatten über den Auszug eines von ihnen aus der gemeinsamen Ehewohnung (Haus) dieser die Eigenschaft als "Ehewohnung" nimmt (vgl. dazu Johannsen/Henrich/Götz, Eherecht, 5. Aufl. 2010, § 1361b BGB Rz. 11).

2. Der Auszug der Ehefrau mit den 3 gemeinsamen schulpflichtigen Kindern aus dem gemeinschaftlichen Haus in eine 500 m entfernte Wohnung stellt keine unbillige Härte i.S.v. § 1361b BGB dar, auch wenn damit eine Verringerung der Wohnfläche von 180 m2 für 5 Personen auf 106 m2 für einen Erwachsenen mit 3 Kindern verbunden ist.

3. Einer Erörterung in einem Termin gem. §§ 207, 32 FamFG bedarf es gem. § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG nicht, wenn weder zusätzliche Erkenntnisse noch eine gütliche Einigung zu erwarten sind.

 

Normenkette

BGB § 1361b Abs. 1 S. 1; BGB § 1361b S. 2; FamFG § 200 Abs. 1 Nr. 1, §§ 207, 58, 68 Abs. 3 S. 2, § 84; FamGKG §§ 55, 48

 

Verfahrensgang

AG Siegburg (Beschluss vom 15.01.2010; Aktenzeichen 323 F 143/09)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragstellerin vom 9.2.2010 gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Siegburg vom 15.1.2010 - 323 F 143/09 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die gem. §§ 58 ff., 63 Abs. 1 FamFG zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Der Senat verweist zunächst auf die umfangreiche und wohlausgewogene Begründung des Familiengerichts in der angefochtenen Entscheidung (Bl. 121 bis 126).

Das AG hat zu Recht den Antrag der getrennt lebenden Ehefrau zurückgewiesen, ihr - und den bei ihr lebenden 3 gemeinsamen Kindern - das bis zu ihrem Auszug am 21.6.2009 gemeinsam genutzte Haus, welches die Ehewohnung darstellt und beiden Beteiligten je zur Hälfte gehört, im Verfahren nach § 200 Abs. 1 Nr. 1 FamFG zur alleinigen Benutzung gem. § 1361b Abs. 1 S. 1 und 2 BGB zuzuweisen. Angesichts der Tatsache, dass wegen der andauernden Streitigkeiten zwischen den Eheleuten eine Trennung innerhalb des Hauses zumindest aus der Sicht der Antragstellerin, aber auch nach der Auffassung des Jugendamtes und der vom Familiengericht angehörten Kinder nicht (mehr) in Betracht kam, musste einer der beiden die Wohnung (das Haus) verlassen. Dies ist durch den bereits zuvor gefassten und mitgeteilten Entschluss der Antragstellerin sowie den am 9.6.2009 nach Besichtigung der neuen Wohnung unterschriebenen Mietvertrag zum 1.7.2009 letztendlich auch geschehen.

Im Ergebnis kann dahinstehen, ob das Haus nicht durch die Einigung der Beteiligten, dass die Antragstellerin auszieht und - mit den Kindern - eine eigene Wohnung anmietet, den Charakter als Ehewohnung verloren hat, so dass § 1361b BGB schon von seinen Voraussetzungen nicht anwendbar ist (vgl. KG FamRZ 2007, 908 = juris Rz. 4; OLG Köln FamRZ 2005, 1993 = juris Rz. 7; Palandt/Brudermüller, 69. Aufl. 2010, § 1361b BGB Rz. 6; generell anderer Meinung Schwab in Bork/Jacoby/Schwab: FamFG, § 200 FamFG Rz. 32 und 3 mit Hinweis auf OLG Hamm, FamRZ 2008, 1935, 1936 = juris Rz. 29). Dies wäre allenfalls dann der Fall, wenn die Beteiligten bereits eine eindeutige und endgültige Regelung über ihr gemeinsames Haus als (bisherige) Ehewohnung getroffen hätten. Das steht jedenfalls nach derzeitigem Sachstand nicht fest und widerspricht auch der Einleitung des hiesigen Verfahrens.

Eine unbillige Härte i.S.v. § 1361b I 1 BGB beim Bestehenbleiben der derzeitigen Wohnsituation liegt nämlich nicht vor. Bloße Unannehmlichkeiten und Belästigungen, wie sie bei einer zerrütteten Ehe regelmäßig auftreten, fallen nämlich nicht darunter (Palandt/Brudermüller, a.a.O., Rz. 10 aE und Staudinger/Voppel, 2007, § 1361b BGB Rz. 20, je m.w.N.). Die Einschränkungen, die mit einer deutlichen Verringerung der Wohnfläche von 180 m2 für 5 Personen auf 106 m2 für einen Erwachsenen mit 3 Kindern verbunden sind, stellen sich aus objektiver Sicht nur als die Reduzierung einer recht komfortablen - um nicht zu sagen luxuriösen - Wohnsituation zu einer noch auf alle Fälle annehmbaren und eher noch überdurchschnittlichen, keinesfalls aber unzumutbaren dar. Dies haben die beiden beteiligten Ehegatten und insb. die Antragstellerin wohl ursprünglich auch selbst so gesehen, als sie die neue Wohnung der Antragstellerin ausgesucht und nach Besichtigung angemietet haben. Der Inhalt der Absprache zwischen den Beteiligten fließt auch in die Beurteilung der unbilligen Härte ein (Schwab, a.a.O., § 200 FamFG Rz. 9 unter Hinweis auf BGH FamRZ 1994, 98, 101). Schließlich ist auch das Wohl der 3 gemeinsamen Kinder nicht gefährdet, wie sich bereits nicht nur objektiv aus der Größe der neuen Wohnung, sondern insb. auch aus den Stellungnahmen des Jugendamtes vom 19.11.2009 und 3.3.2010 sowie der Anhörung der Kinder durch das Familiengericht ergibt. Auch wenn sich die Anzahl von eigen...

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