Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bergisch Gladbach zurückverwiesen.

 

Gründe

Die Entscheidung entspricht dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft, die zur Begründung Folgendes ausgeführt hat:

"I.

Durch Urteil des Amtsgerichts Bergisch Gladbach vom 23.08.2012(44 Ds 304/12) ist die Angeklagte wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20 Euro verurteilt worden. Zudem ist ihr gemäß § 69 StGB die Fahrerlaubnis entzogen und eine Fahrerlaubnissperre von sechs Monaten angeordnet worden (Bl. 55 f., 58 d.A.).

Zum Schuldspruch hat das Gericht folgende Feststellungen getroffen:

"Am 21.05.2012 gegen 17.30 Uhr befuhr die Angeklagte mit einem Personenkraftwagen der Marke W mit dem Kennzeichen Y die I Straße in P.

Sie erschien auf der Polizeiwache P2, um eine Anzeige wegen häuslicher Gewalt zu erstatten. Im Rahmen der Anzeigenaufnahme stellten die aufnehmenden Beamten Alkoholgeruch in der Atemluft der Angeklagten fest. Nach erfolgter Belehrung gab sie an, mit ihrem PKW zur Polizeiwache gefahren zu sein.

Ein freiwillig durchgeführter Atemalkoholtest ergab einen Wert von1,25 mg pro Liter.

Daraufhin ordneten die aufnehmenden Polizeibeamten eine Blutprobenentnahme an, gegen die sich die Angeklagte zunächst widersetzte.

Die ihr schließlich um 18.55 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,59 Promille."

Zur Frage der Schuldfähigkeit der Angeklagten zur Tatzeit ist im Urteil nichts ausgeführt.

Gegen dieses Urteil hat die Angeklagte mit Schriftsatz ihres Verteidigers vom 29.08.2012 (Bl. 57 d.A.) zunächst ein nicht weiter bestimmtes Rechtsmittel eingelegt. Dieses hat sie nach Zustellung des Urteils an ihren Verteidiger am 06.09.2012 (Bl. 64 d.A.) mit Schriftsatz des Verteidigers vom 10.09.2012 als Revision bezeichnet, mit weiterem Schriftsatz vom 28.09.2012 (Bl. 65 ff. d.A.) weiter begründet und die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt.

II.

Das Rechtsmittel hat (vorläufigen) Erfolg. Es führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

1.

Die erhobene Verfahrensrüge gefährdet den Bestand des Urteils jedoch nicht.

Die Revision beanstandet, dass das Ergebnis der der Angeklagten entnommenen Blutprobe verwertet worden ist, obwohl dieses Beweismittel infolge eines Verstoßes gegen den Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 StPO unverwertbar gewesen sei.

Die Rüge ist jedoch nicht in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Form ausgeführt worden. Zum Rügevorbringen gehört nämlich insbesondere auch ein Vortrag dazu, dass einer Verwertung des auf der Blutprobe beruhenden Beweises bis zum Zeitpunkt des § 257 StPO in der Hauptverhandlung widersprochen worden ist (vgl. SenE v. 23.03.2010 - III - 1 RVs 49/10; OLG Hamm NJW 2009, 242).

Vorliegend hat der Verteidiger zwar mitgeteilt, dass der Verwertung im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung widersprochen worden sei, den Zeitpunkt des Widerspruchs jedoch nicht angeführt. Dies wird den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO nicht gerecht (s. auch Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 81a Rn. 34).

2.

Das angefochtene Urteil hält allerdings sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Die zu I. wiedergegebenen Feststellungen zum Schuldspruch sind bereits deshalb materiell-rechtlich unvollständig, weil sie trotz eines festgestellten Entnahmewertes von 2,59 Promille nicht die tatgerichtliche Prüfung eines etwaigen Ausschlusses der Schuldfähigkeit der Angeklagten (§ 20 StGB) erkennen lassen.

Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung, die bei der Frage der Schuldfähigkeit zur Ermittlung der maximalen Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit anhand einer nach der Tat entnommenen Blutprobe zugunsten des Angeklagten für den gesamten Rückrechnungszeitraum einen stündlichen Abbauwert von 0,2 Promille und zusätzlich einen einmaligen Sicherheitszuschlag von 0,2 Promille ansetzt (BGHSt. 37, 231, 237; BGH NStZ 1995, 539; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. nur SenE v. 20.08.1999 - Ss 374/99 - = VRS 98, 140; SenE v. 15.09.2009 - 83 Ss 78/09; SenE v. 22.01.2010 - III - 1 RVs 5/10; s. auch Fischer, StGB, 59. Aufl., § 20 Rn. 13), wäre hier von einer Blutalkoholkonzentration von 3,07 Promille zur Tatzeit auszugehen (Zeitdifferenz zwischen der Tatzeit um 17.30 Uhr und der Blutentnahme um 18.55 Uhr = 1 Stunde 25 Minuten; BAK der Blutprobe 2,59 Promille + 0,2 + ~0,08 + 0,2 Promille = ~ 3,07 Promille).

Dieser Wert hätte dem Amtsgericht Anlass zu Feststellungen zur Frage der Schuldfähigkeit der Angeklagten geben müssen.

Bei Blutalkoholwerten von 3 Promille und darüber sind die Voraussetzungen des § 20 StGB naheliegend (vgl. BGH bei Martin DAR 1970, 117; Senat NJW 1982, 2613; SenE v. 22.01.2010 - III - 1 RVs 5/10; Fischer, aaO, § 20 Rn. 19 f. m.w.N.); selbst bei geringeren Werten kann die Schuldfähigkeit bereits ausgeschlossen sei...

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