Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrssicherungspflicht/Übertragung der Streupflicht auf Mieter

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Geltung des Anscheinsbeweises bzw. des Indizienbeweises bei Verletzung der Streupflicht.

Zur Übertragung einer Verkehrssicherungspflicht (Streupflicht) an einen Mieter im Wege des "Schneekartensystem"

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 15.07.2011; Aktenzeichen 26 O 310/10)

 

Tenor

1. Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 15.7.2011 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des LG Köln - 26 O 310/10 - gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

2. Die Klägerin hat Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

 

Gründe

Die Berufung der Klägerin verspricht offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO). Ebenso wenig ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO) oder aus anderen Gründen eine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO).

Das LG hat die Klage auf Zahlung von Schmerzensgeld gegen die Beklagte zu 1) zu Recht abgewiesen und einen mit der Berufung noch weiter verfolgten Anspruch gegen diese zutreffend verneint. Die Berufungsbegründung rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) auf Schmerzensgeld gem. § 823 Abs. 1 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB besteht schon dem Grunde nach nicht. Das LG hat das Vorliegen einer Pflichtverletzung zu Recht verneint. Beweisbelastet ist insoweit die Klägerin, die den Beweis nicht erbracht hat.

Entgegen der Auffassung der Klägerin greift vorliegend kein Anscheinsbeweis, der das Vorliegen einer Pflichtverletzung durch die Beklagte vermuten lässt, welchen die Beklagte erschüttern müsste. Zunächst gilt dieser Anscheinsbeweis grundsätzlich nur bezüglich der Ursächlichkeit einer Pflichtverletzung für eine Rechtsgutsverletzung, nicht jedoch für das Vorliegen der Pflichtverletzung selbst (vgl. BGH NJW 2009, 3302 f.; OLG Celle NJW-RR 2003, 1536; OLG Hamm MDR 2000, 85; Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 823 Rz. 230). Diese muss grundsätzlich feststehen. Die Rechtsprechung greift diesbezüglich auf den Indizienbeweis zurück (vgl. OLG Celle NJW-RR 2003, 1536, m.w.N.). Demnach ist ein Glatteisunfall, einen nachgewiesenen Sturz an streupflichtiger Stelle und in streupflichtiger Zeit als feststehend vorausgesetzt, Indiz für das Vorliegen einer Streupflichtverletzung.

Schließlich aber gilt Vorstehendes nur hinsichtlich der primären Streupflicht, demnach hier ggf. für die Streupflichtverletzung einer der Mieter des Hauses (vgl. insoweit OLG Celle NJW-RR 2004, 1251; OLG Frankfurt, KommJur 2005, 399; BGH NJW 1984, 432 ff.; BGH BeckRS 1991, 31064359; hinsichtlich des Anscheinsbeweis für die Ursächlichkeit von allgemeinen Gefahrenquellen im Zuständigkeitsbereich des primär Verantwortlichen für Stürzende BGH BeckRS 1987, 31065761), nicht jedoch für die Überwachungs- und Kontrollpflichten der Beklagten. Denn es fehlt hier an der für die Anwendung des Anscheinsbeweises erforderlichen Typizität des Sachverhalts (OLG Brandenburg, BeckRS 2009, 08855). Zwar kann danach bei einem Glatteisunfall regelmäßig davon ausgegangen werden, dass dieser auf eine Streupflichtverletzung zurückzuführen ist. Diesbezüglich liegt die Vermutung nahe, weil ein gesunder Mensch - hier: mittleren Alters - bei Schneeverhältnissen aus eigenem Interesse ohnehin eine vorausschauende und vorsichtige Gangart anlegt und bei gestreuten Wegen regelmäßig nicht stürzt, während die Gefahr eines Sturzes bei nicht gestreuten glatten Wegen ungleich höher ist. Nicht jedoch kann man gleichsam davon ausgehen, dass auch der sekundär Streupflichtige seine Überwachungspflichten nicht erfüllt hat und aufgrund dessen der Verletzte verunfallt ist. Zwar kann eine mangelnde Überwachung dazu führen, dass die primär Streupflichtigen nachlässig werden, dies ist jedoch keineswegs regelmäßig der Fall. Denn die primär Streupflichtigen werden auch aufgrund der Vermeidung eigener Schadensersatzverpflichtungen, aus eigenem Interesse vor ihrem Haus nicht zu stürzen und regelmäßig auch zur Wahrung des nachbarschaftlichen Friedens zur Einhaltung ihrer Streupflicht angehalten. Es kann somit nicht regelmäßig davon ausgegangen werden, dass Mängel in der Überwachung typischerweise zur Nichterfüllung der Streupflicht der primär Verpflichteten führen, die wiederum typischerweise ursächlich für sich im zeitlichen und örtlichen Rahmen der Streupflicht ereignende Unfälle ist.

Vorliegend kommt der Klägerin lediglich die sekundär...

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