Verfahrensgang

LG Aachen (Entscheidung vom 05.11.2002; Aktenzeichen 63 KLs 14/00)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem früheren Angeklagten auferlegt.

 

Gründe

I.

Durch Urteil der 3. großen Strafkammer des Landgerichts Aachen vom 10.09.2001 ist der frühere Angeklagte wegen Bedrohung, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch, versuchter Nötigung, Beleidigung, vorsätzlicher sowie gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden, von dem Vorwurf der räuberischen Erpressung in vier Fällen sowie dem Vorwurf des räuberischen Diebstahls ist er freigesprochen worden. Soweit er freigesprochen wurde, sind die ihm entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt worden. In der Hauptverhandlung ist das Verfahren hinsichtlich verschiedener ( insgesamt zwölf ) Fälle der Anklageschrift vom 27.56.2001 und des Tatvorwurfs aus der Anklageschrift vom 27.06.2001 gemäß § 154 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 1 StPO vorläufig eingestellt worden. Ihre gegen diese Entscheidung eingelegte Revision hat die Staatsanwaltschaft mit Erklärung vom 09.11.2001 zurückgenommen, woraufhin mit Beschluss vom 19.11.2001 die Kosten des Revisionsverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt worden sind.

Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 10.08.2002 hat der Angeklagte beantragt, die Erstattung anteiliger notwendiger Auslagen des Angeklagten aus der Staatskasse in Höhe von 8.476,40 DM = 4.333,40 EUR festzusetzen. Mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 05.11.2002 hat der Rechtspfleger des Landgerichts Aachen aus der Staatskasse zu erstattende Kosten in Höhe von 706,70 EUR nebst Zinsen berücksichtigt. Gegen diesen am 15.11.2002 zugestellten Beschluss hat der frühere Angeklagte mit dem am 18.11.2002 eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers vom 15.11.2002 Erinnerung bzw. Rechtsmittel eingelegt. Mit Beschluss vom 28.04.2003 hat der Rechtspfleger der Erinnerung nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht vorgelegt.

II.

Über die als sofortige Beschwerde zu behandelnde Erinnerung hat der Senat, nicht der Einzelrichter zu entscheiden. Die Vorschrift des § 568 S. 1 ZPO in der ab 01.01.2002 geltenden Fassung ( Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27.07.2001, BGBl.... I S. 1887), die im Zivilprozess für das Beschwerdeverfahren den originären Einzelrichter vorsieht, findet im strafprozessualen Beschwerdeverfahren keine Anwendung, da sie von der Verweisung des § 464 b S. 3 StPO auf die zivilprozessualen Regelungen nicht erfasst wird.

Nach § 464 b S. 3 StPO finden auf das strafprozessuale Kostenfestsetzungsverfahren die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechende Anwendung. Diese Verweisung auf ZPO- Vorschriften gilt indes nur insoweit, als sie strafprozessualen Prinzipien nicht widerspricht (dazu zuletzt BGH vom 27.11.2002, BGHSt 48,106 = NJW 03,763). Demgemäß kommt nach Ansicht des Senats im Beschwerdeverfahren eine Zuständigkeit des Einzelrichters nicht in Betracht, da die Strafsenate als Rechtsmittelgerichte im Sinne des § 121 GVG immer in der Besetzung von drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden entscheiden, mithin der Einzelrichter in dem strafprozessualen Rechtsmittelverfahren systemwidrig ist. Diese Besetzung der Strafsenat folgt aus § 122 Abs. 1 GVG in Zusammenhang mit den Regelungen der StPO, die den Einzelrichter nicht kennt. Der in § 122 Abs. 1 GVG erwähnte Einzelrichter ist nur für Zivilsachen vorgesehen, was bisher einhelliger Meinung entsprach (vgl. Löwe/Rosenberg/Frank, 25. Aufl., § 122 GVG Rdnr. 1; Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 122 GVG, Rdnr. 2; Pfeiffer, StPO, 3. Aufl., § 122 GVG, Rdnr. 1 ).

Mit dem Inkrafttreten des Zivilprozess-Reformgesetzes vom 27.07.2001 ( BGBl.... I S. 1887 ) hat sich nach Ansicht des Senats daran nichts geändert, obgleich in § 568 ZPO der "originäre Einzelrichter", der auch im erstinstanzlichen Zivilverfahren vor dem Landgericht vorgesehen ist ( vgl. § 348 ZPO ), in das zivilprozessuale Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht wie dem Oberlandesgericht übernommen wurde, und § 464 b StPO auf die Vorschriften des Zivilprozesses verweist. Diese originäre (zivilprozessuale) Einzelrichterzuständigkeit im Beschwerdeverfahren setzt voraus, dass die angefochtene Entscheidung von einem Rechtspfleger oder einem "Einzelrichter" im Sinne des § 568 S. 1 ZPO erlassen wurde, was hier der Fall ist. Gleichwohl kann die Verweisung in § 464 b S. 3 StPO nicht so verstanden werden, dass sie für die strafprozessuale Rechtsmittelinstanz auch die zivilprozessual vorgesehene Einzelrichterzuständigkeit mit umfasst (so aber OLG Düsseldorf, RPfleger 03, 145 als bisher erste und - soweit ersichtlich - einzige Entscheidung in diesem Sinne). Denn in der StPO findet sich - auch nach Einführung des Zivilprozess-Reform-Gesetzes und den damit verbundenen Erweiterungen zur Einzelrichterzuständigkeit - keine Regelung über einen Einzelrichter im Rechtsmittelverfahren...

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