Leitsatz (amtlich)

Die Besorgnis der Befangenheit eines Richters kann sich daraus ergeben, dass dieser einen Antrag auf Terminsverlegung zurückweist, obwohl für die beantragte Verlegung ein erheblicher Grund besteht. Ein solcher Fall kann vorliegen, wenn der Anwalt der den Richter ablehnenden Partei an einem Betriebsausflug seiner Kanzlei teilzunehmen beabsichtigt.

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Beschluss vom 03.07.2009; Aktenzeichen 4 O 37/09)

 

Tenor

In Abänderung des angefochtenen Beschlusses wird das Ablehnungsgesuch der Beklagten gegen den Vorsitzenden Richter am LG Dr. I für begründet erklärt.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist zwar, weil das Ablehnungsgesuch durch den angefoch-tenen Beschluss als unzulässig verworfen worden ist und § 46 Abs. 2 ZPO nach seinem Wortlaut die Beschwerde nur gegen einen Beschluss eröffnet, mit welchem das Ableh-nungsgesuch für unbegründet erklärt wird, nicht nach § 46 Abs. 2 ZPO statthaft, wohl aber gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO (OLG Frankfurt OLGReport Frankfurt 2006,929; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 46 Rz. 14).

Die auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Das Ablehnungs-gesuch der Beklagten gegen den Vorsitzenden Richter am LG Dr. I ist zu-lässig und begründet.

Für das Ablehnungsgesuch fehlt es nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Eine Richterablehnung ist allerdings rechtsmissbräuchlich und deshalb unzulässig, wenn sie das Verfahren offensichtlich nur verschleppen oder verfahrensfremden Zwek-ken dienen soll (Zöller/Vollkommer § 42 Rz. 6; vgl. auch BVerfG NJW 2007, 3771). Unter diesem Gesichtspunkt kann ein Rechtsmissbrauch in dem Fall vorliegen, dass auf dem Weg über die Befangenheitsablehnung eine vom Gericht mit Rücksicht auf einen nur substanzlos angegebenen Verlegungsgrund abgelehnte Terminsverlegung erzwungen werden soll (OLG Köln - 13. Zivilsenat - OLGR 2004,404). Um eine solche Gestaltung handelt es sich hier jedoch nicht. Das Befangenheitsgesuch hat die Beklagte darauf gestützt, dass sowohl ihr Antrag auf Verlängerung der Klageerwiderungsfrist als auch die wegen einer Verhinderung ihres Prozessbevollmächtigten beantragte Verlegung des Verhandlungstermins ohne stichhaltige Begründung abgelehnt worden seien. Hinrei-chende Anhaltspunkte dafür, dass das Ablehnungsgesuch nur der Verschleppung oder verfahrensfremden Zwecken dient, sind daher nicht erkennbar.

Der Ablehnungsantrag ist auch in der Sache begründet. Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich befangen ist. Maßgebend ist viel-mehr, ob aus der Sicht der den Richter ablehnenden Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Ein-stellung des Richters zu zweifeln (BGH NJW 1995, 1677; 2006,2492). Derartige Gründe hat die Beklagte glaubhaft gemacht.

Zwar rechtfertigt die Verweigerung einer beantragten Terminsverlegung regelmäßig nicht die Besorgnis der Befangenheit, weil diese nach § 227 ZPO nur bei Vorliegen er-heblicher Gründe in Betracht kommt. Anders ist dies aber, wenn erhebliche Gründe für eine Terminsverlegung offensichtlich vorliegen, die Zurückweisung des Antrags für die betreffende Partei schlechthin unzumutbar wäre und somit deren Grundrecht auf rechtli-ches Gehör verletzen würde oder sich aus der Ablehnung der Terminsverlegung der Eindruck einer sachwidrigen Benachteiligung einer Partei aufdrängt (BGH NJW 2006, 2492; OLG Naumburg NJW-RR 2002, 502; OLG Frankfurt OLGReport Frankfurt 2006,929; NJW 2009, 1007).).

Für eine Verlegung des Verhandlungstermins vom 3.7.2009 haben offensichtlich erhebliche Gründe bestanden. Dem Antrag der Beklagten auf Terminsverlegung wäre bereits gem. § 227 Abs. 3 Satz 1 ZPO stattzugeben gewesen. Nach dieser Vorschrift ist ein für die Zeit vom 1.7. bis 31.8. anberaumter Termin auf Antrag innerhalb einer Woche nach Zugang der Ladung oder Terminsbestimmung zu verlegen. Die Be-klagte, deren Anwalt die Terminsladung am 17.6.2009 zugestellt worden war, hat die Frist von einer Woche durch den dem LG am 24.6.2009 per Telefax über-mittelten Verlegungsantrag gewahrt. Dass der Antrag nicht ausdrücklich auf die Rege-lung des § 227 Abs. 3 ZPO gestützt worden ist, schadet deswegen nicht, weil der Ver-legungsantrag nach dieser Vorschrift keiner Begründung bedarf (Zöller/Stöber § 227 Rz. 9). Zwar ist nach § 227 Abs. 3 Satz 3 ZPO dem Verlegungsantrag nicht zu entspre-chen, wenn das Verfahren besondere Beschleunigung erfordert. Gewichtige Gründe für eine besondere Beschleunigung sind indessen weder vom LG angeführt noch sonst ersichtlich. Dem vorsorglichen, pauschalen Hinweis in der Verfügung vom 1.7.2009, es gehe vorliegend "um vergleichsweise hohe wirtschaftliche Werte, so dass einer Förderung des Verfahrens, auch i.S.d. § 227 Abs. 3 S. 3 ZPO, der Vorrang" gebühre, ist das nicht zu entnehmen.

Fr...

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