Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch bei mittelbarem Übergreifen eines Brandes auf ein fremdes Grundstück

 

Leitsatz (amtlich)

Greift ein Brand auf ein fremdes Grundstück über, besteht ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB. Dass das Feuer erst über ein anderes Grundstücks auf das Grundstück des Geschädigten übergegriffen hat, ist für den Anspruch ohne Bedeutung.

 

Normenkette

BGB § 862 Abs. 1, § 906 Abs. 2 S. 2, § 1004 Abs. 1; GG Art. 14

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Urteil vom 17.01.2008; Aktenzeichen 2 O 329/06)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17.1.2008 verkündete Urteil der Einzelrichterin des LG Mainz geändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 25.895, 55 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2.8.2006 zu zahlen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheits- leistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist Feuerversichererin der im Ortskern von J. gelegenen, benachbarten Hausgrundstücke Gossbach 4b, Gossbach 4a und Hauptstr. 6. Das Grundstück Gossbach 6 grenzt unmittelbar an das Anwesen 4b an. Die Grundstücke Gossbach 4a und Hauptstr. 6 grenzen dagegen nur an das Grundstück 4b an.

In der Nacht vom 22. auf den 23.10.2005 brach in der Scheune des Grundstücks Gossbach 6 ein Brand aus. Ausgehend von einem Defekt der Stromleitung kam es zu einem Brand, der sich über die hölzernen Tragbalken und den Dachaufbau zu einem Vollbrand im Dachbereich entwickelte. Von dort griff der Brand auf das Anwesen Gossbach 4b über. Dieser breitete sich dann auf die Grundstücke Gossbach 4a und Hauptstr. 6 aus.

Die Klägerin hat den an diesen Anwesen entstandenen Schaden i.H.v. insgesamt 25.895, 55 EUR ausgeglichen. Das ist zwischen den Parteien mittlerweile unstreitig.

Die Haftpflichtversicherung des Beklagten weigert sich ggü. dem Rückgriffsanspruch der Klägerin, die Schäden auszugleichen, die an den Gebäuden Gossbach 4a und Hauptstr. 6 entstanden sind und zwar mit der Begründung, die Schäden seien nicht unmittelbar durch die vom Grundstück des Versicherungsnehmers ausgehenden "Immissionen" entstanden, sondern durch den Übergriff des Feuers vom Grundstück Gossbach 4b auf die Grundstücke Gossbach 4a und Hauptstr. 6.

Die entsprechende Anwendung des § 906 Abs. 2 S. 2. BGB auf den so gearteten "Nachbarfall" ist, nachdem Höhe und Regulierung unstreitig geworden sind, der einzige - rechtliche - Streitpunkt.

Das LG hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, bei Brandemissionen hänge die Ausbreitung des Brandes, mit Ausnahme der Fälle von Funkenflug auf nicht unmittelbar an das brennende Grundstück angrenzende Grundstücke, davon ab, ob sich brennbares Material auf den dazwischen liegenden Grundstücken befinde oder nicht.

Wäre beispielsweise im zwischen den Grundstücken ein Teichgrundstück gelegen gewesen, so wäre es, abgesehen vom Fall des Funkenflugs, zu einer Ausbreitung des Brandes auf die Grundstücke Gossbach 4a und Hauptstr. 6 nicht gekommen.

Ob auf den dazwischen liegenden Grundstücken brennbares Material vorhanden sei oder nicht, hänge nicht vom Willen des Eigentümers des Grundstücks ab, auf dem der Brand ursprünglich ausgebrochen sei. Im Verhältnis des Beklagten zu den Grundstücken Gossbach 4a und Hauptstr. 6 sei er deshalb Nichtstörer.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers. Die Parteien vertiefen die wechselseitig eingenommenen Rechtsstandpunkte.

II. Die zulässige Berufung der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Änderung des Urteils des LG und zum Zuspruch der Klageforderung.

I. Der auf die Klägerin übergegangene Anspruch (§ 67 VVG) rechtfertigt sich aus einer analogen Anwendung des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB.

A. Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffen Grundstücks nicht dulden muss, aus besonderen Gründen jedoch nicht gem. §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (BGH NJW 2003, 2377; BGH NJW 2004, 3701).

Hiervon ist auszugehen, wenn ein Brand auf ein fremdes Grundstück übergreift, da der Nachbar die Gefahr in aller Regel - und so auch hier - nicht erkennen und die Einwirkungen auf sein Grundstück daher nicht rechtzeitig abwehren kann (BGH NJW 2008, 992).

B. Der Beklagte ist Störer auch im Verhältnis zu den Eigentümern der Grundstücke Gossbach 4a und Hauptstr. 6. Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch kann sich nur gegen einen Störer i.S.d. § 1004 Abs. 1 BGB ri...

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