Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweilige Verfügung auf Untersagung der Beschlussfassung zur Auflösung einer Stiftung. Verfügungsgrund. Klagebefugnis eines Destinatärs

 

Normenkette

BGB §§ 85, 88; Stiftungsgesetz Rheinland-Pfalz § 18; ZPO § 940

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Urteil vom 19.07.2001; Aktenzeichen 12 HK.O 62/01)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Antragstellers wird das Urteil der 12. Zivilkammer – 2. Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Mainz vom 19. Juli 2001 wie folgt abgeändert:

Den Antragsgegnerinnen wird bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Klage zur Hauptsache untersagt, ihr Gesuch um Genehmigung ihres gemeinsamen Auflösungsbeschlusses vom 27. Juni 2001 bei der zuständigen Stiftungsaufsichtsbehörde (Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion T.) aufrechtzuerhalten.

Den Antragsgegnerinnen wird für jede Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot ein Ordnungsgeld von bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem Vorstand, angedroht.

II. Die Kosten beider Rechtszüge tragen die Antragsgegnerinnen als Gesamtschuldner. Die Nebenintervenienten tragen ihre eigenen Kosten.

III. Das Urteil ist vollstreckbar.

 

Tatbestand

Der Antragsteller ist der Sohn des 1987 verstorbenen P. E. Dieser und der 1984 vorverstorbene L. E. hatten ein traditionsreiches (1857 gegründetes) und bedeutendes Unternehmen der Getränkeindustrie (E.-Gruppe) ererbt, fortgeführt und im September 1972 unter Einbringung bestimmter Vermögenswerte aus ihrer Firmengruppe die L. E. Familienstiftung (LEF) und die P. E. Familienstiftung (PEF) gegründet. Nach den fast wortgleichen Satzungen der beiden Stiftungen, welche auch im Handelsregister eingetragen sind, waren ihre Zwecke neben der freiwilligen, einmaligen, wiederholten oder laufenden Unterstützung der Destinatäre der jeweiligen Familienstämme auch die Beteiligung an Unternehmen der E. gruppe und die Wahrnehmung der Rechte aus diesen Beteiligungen mit dem ziel, die wirtschaftliche Sicherung, den Fortbestand und das Wachstum dieser Unternehmen zu fördern. Zur Erfüllung dieses Stiftungszwecks können die auf unbestimmte Zeit errichteten Stiftungen Wirtschaftsunternehmen jeder Art gründen oder sich daran beteiligen. Organe der Stiftungen sind der Vorstand und – als oberstes Stiftungsorgan – der Stiftungsbeirat. Die personelle Besetzung der Organe muss in beiden Stiftungen personenidentisch sein. Deren Sitzungen müssen zum gleichen Zeitpunkt und an denselben Ort einberufen werden und gemeinsam stattfinden; die Beschlüsse über die Verwendung der Stiftungserträge und eine eventuelle Auflösung der Stiftungen müssen gleichlautend erfolgen. Der Stiftungsbeirat besteht aus neun Mitgliedern, von denen zwei vom Familienstamm L. E. und einer vom Familienstamm P. E. gestellt werden (Familienbeiratsmitglieder). Die Familienbeiratsmitglieder müssen nicht Familienangehörige sein. Fünf der Beiratsmitglieder, die nicht Familienbeiratsmitglieder sind (weitere Beiratsmitglieder), dürfen keinem der beiden Familienstämme angehören.

In der „Präambel” der Satzungen heißt es:

„Über den engeren Stiftungszweck hinaus, Familienmitgliedern im Notfall zu helfen, ist es in erster Linie Sinn der Stiftung, im Rahmen der E.-Firmengruppe ein neutralisiertes Vermögen zu bilden, welches der Verfügung der Gesellschafter entzogen ist und nur den eigentlichen Firmenzwecken dient. Daneben steht mit gleichem Rang die Aufgabe der Stiftung, das Führungsinstrument für die Firmengruppe zu sein, welches unabhängig von den Wechselfällen des Lebens stets funktionsfähig ist und durch die vorgeschriebene Einbeziehung Außenstehender in seine Organe ein Höchstmaß an Objektivität im Interesse der Firmengruppe entwickelt. Diese Aufgabenstellung sollen alle Organe der Stiftung, aber auch alle Destinatäre stets vor Augen haben.”

Nach § 13 der Satzungen der beiden Stiftungen (Antragsgegnerinnen) kann der Stiftungsbeirat die Auflösung der Stiftung beschließen, wenn die Erfüllung des Stiftungszwecks entsprechend dem Willen und den Vorstellungen des Stifters rechtlich und tatsächlich nicht mehr möglich ist oder bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse. Der Beschluss bedarf der Genehmigung durch die Stiftungsaufsichtsbehörde.

Am 27. Juni 2001 beschloss der Stiftungsbeirat gegen die Stimmen des Antragstellers und eines weiteren (nicht zur Familie E. gehörenden) Beiratsmitgliedes die Auflösung der beiden Familienstiftungen (Bl. 880 und R d.A.).

Gegen dieses Vorhaben hatte sich der Antragsteller bereits vorbeugend mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 19. Juni 2001 gegen die PEF gewandt (später auf die LEF erweitert) und beantragt, der Stiftung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage zur Hauptsache zu untersagen, durch ihren Beirat die Auflösung zu beschließen, hilfsweise, falls ein Auflösungsbeschluss bereits gefasst sei, der zuständigen Stiftungsaufsichtsbehörde diesen Beschluss zur Genehmigung vorzulegen.

Der Antragsteller sieht sich durch den Auflösun...

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