Verfahrensgang

LG Koblenz (Entscheidung vom 21.11.2011; Aktenzeichen 5 O 35/11)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Zwischenurteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 21.11.2011 abgeändert.

Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

Der Kläger verlangt von der Beklagten aus übergegangenem Recht Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Frankreich. Er hat für seinen bei dem Verkehrsunfall verletzten Beschäftigten ...[A] Entgeltfortzahlungen erbracht. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.045,54 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2010 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 718,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem Tag der Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat durch Zwischenurteil die Zulässigkeit der Klage festgestellt. Es hat angenommen, dass der Kläger Begünstigter im Sinne des Art. 9 Abs. 1 lit.b EuGVVO sei. Auch einer juristischen Person stehe grundsätzlich der Klägergerichtsstand nach dieser Vorschrift offen. Der Aspekt der Rechtssicherheit verbiete es, die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts von einer konkreten Prüfung abhängig zu machen, inwieweit der jeweilige Kläger im Verhältnis zur beklagten Versicherung tatsächlich unterlegen sei.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.

Die Beklagte beantragt,

das Zwischenurteil des Landgerichts Koblenz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.

Auf die von den Parteien zu den Akten gereichten Schriftsätze und Anlagen wird Bezug genommen.

Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die Klage ist als unzulässig abzuweisen, weil ein Gerichtsstand beim Landgericht Koblenz nicht begründet ist.

Nach Art. 9 Abs. 1 lit.b, Art. 11 Abs. 2 EuGVVO kann ein Geschädigter vor dem Gericht des Ortes in einem Mitgliedstaat, an dem er seinen Wohnsitz hat, eine Klage unmittelbar gegen den Versicherer erheben, sofern eine solche Klage unmittelbar zulässig ist und der Versicherer im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates ansässig ist (EuGH NJW 2008, 819). Die beiden letztgenannten Voraussetzungen sind unstreitig erfüllt. Fraglich ist, ob der Kläger, der als Land der Bundesrepublik Deutschland Ansprüche aus übergegangenem Recht geltend macht, Geschädigter im Sinne dieser Vorschriften ist. Der Senat sieht diese Voraussetzung nicht als gegeben an.

Die Art. 9 Abs. 1 lit.b, 11 Abs. 2 EuGVVO bilden eine Ausnahmeregelung von der ansonsten geltenden internationalen Zuständigkeit des Gerichts am Wohnsitz des Beklagten (Art. 2 Abs. 1 EuGVVO). Der Geschädigte darf den ausländischen Versicherer ausnahmsweise an seinem Wohnsitz verklagen, so soll seine schwächere Stellung gegenüber dem Haftpflichtversicherer ausgeglichen werden (Erwägungsgrund 13 EuGVVO). Aus diesem Schutzzweck ergibt sich, dass die besondere Zuständigkeitsregel der Art. 9 Abs. 1 lit.b, Art. 11 Abs. 2 EuGVVO nicht auf Personen ausgedehnt werden darf, die des Schutzes nicht bedürfen, weil sie nicht als schwächere Partei bezeichnet werden können. Ein Land der Bundesrepublik Deutschland ist im Verhältnis zu einem Haftpflichtversicherer nicht schwächer. Insbesondere kann nicht angenommen werden, dass es rechtlich weniger erfahren ist als ein Versicherer. Die Position eines Landes der Bundesrepublik Deutschland ist vergleichbar mit der eines Sozialversicherungsträgers. Ein Sozialversicherungsträger, auf den Ansprüche übergegangen sind, kann den Schutzgerichtsstand der Art. 9 Abs. 1 lit.b, Art. 11 Abs. 2 EuGVVO nicht in Anspruch nehmen (EuGH VersR 2009, 1512).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage der internationalen Zuständigkeit im Falle einer Klage eines Landes der Bundesrepublik Deutschland aus übergegangenem Recht hat der Senat die Revision zugelassen (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 8.045,54 EUR.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3740333

DAR 2013, 30

IPRax 2013, 11

IPRax 2014, 537

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