Entscheidungsstichwort (Thema)

Amtshaftung und öffentlich-rechtlicher Entschädigung

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 13.06.1997; Aktenzeichen 16 O 7/97)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 13. Juni 1997 verkündete Urteil des Einzelrichters der 16. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.763,59 DM nebst 4 % Zinsen p.a. hieraus seit dem 23. Januar 1997 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 6/13 und der Beklagten zu 7/13 auferlegt.

Von den Kosten des Streithelfers hat der Kläger 6/13 zu tragen; im übrigen trägt sie der Streithelfer selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

(abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO)

Der Kläger beansprucht von der beklagten Stadt Schadensersatz in Höhe von 3.263,59 DM nebst Zinsen.

Er ist Eigentümer eines Hausanwesens in P. …. Dieses bezog er im Sommer 1994. Nach erheblichen Regenfällen ab Herbst 1994 bildeten sich auf der noch nicht fertiggestellten Straße größere Wasseransammlungen, die erst mit der endgültigen Herstellung der Straße im Jahre 1996 verschwanden.

Der Kläger macht die Beklagte für den Eintritt dieses Wassers in die Souterrainwohnung seines Hauses verantwortlich.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, eine Amtspflichtverletzung sei nicht gegeben, denn an eine „Baustraße” seien nur geringe Anforderungen zu stellen; im Übrigen könne der Beklagten eine verzögerte Herstellung der Straße nicht vorgeworfen werden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, der seinen erstinstanzlich verfolgten Anspruch in vollem Umfang weiterverfolgt und der E. M. GmbH, dem W. … M. sowie der R. AG den Streit verkündet hat. Letztere ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.

Der Senat hat sich zu den Ursachen des Wassereinbruchs sachverständig beraten lassen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Das Rechtsmittel hat in der Sache teilweise Erfolg.

I. Der Kläger hat dem Grunde nach einen nachbarrechtlichen, und zwar öffentlich-rechtlichen Entschädigungsanspruch.

1. Gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht ein bürgerlich-rechtlicher Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB regelmäßig dann, wenn von einem Grundstück auf das benachbarte Grundstück ausgehende Einwirkungen zwar rechtswidrig sind und deshalb nicht geduldet werden müssen, der betroffene Eigentümer oder Besitzer jedoch aus besonderen Gründen gehindert ist, solche Störungen gemäß §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB zu unterbinden und wenn er dadurch Nachteile, erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (vgl. BGH, Az. III ZR 198/98, Urteil vom 22. Juli 1999, S. 12 mit umfangreichen Nachweisen).

Bei diesen Einwirkungen muss es sich nicht um Imponderabilien im Sinne des 906 Abs. 1 BGB handeln, vielmehr sind tatbestandsmäßig beispielsweise Grobimmissionen oder eindringende Wurzeln. Auch die Art der Zuführung ist nicht ausschlaggebend (BGH a.a.O.).

Ein öffentlich-rechtlicher Entschädigungsanspruch wegen enteignend wirkenden hoheitlichen Eingriffs besteht dann, wenn die Beeinträchtigung sich als unmittelbarer Eingriff in das Eigentum darstellt und das nach § 906 Abs. 2 BGB entschädigungslos zu Duldende übersteigt, weil die Benutzung des störenden Grundstücks nicht ortsüblich oder bei ortsüblicher Benutzung die Zumutbarkeitsgrenze des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB überschritten ist (vgl. Nachweise bei Staudinger, BGB, 13. Bearb., § 906 Rdnrn. 82 ff.).

Wegen des Rückgriffs auf die Maßstäbe des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB sind die Voraussetzungen beider Ansprüche im Wesentlichen gleich (vgl. BGH NJW 1979, 164 und NJW 1971, 750).

2. Der Entschädigungsanspruch ist im vorliegenden Fall öffentlich-rechtlicher Natur.

Gemäß § 48 Abs. 2 LStrG obliegen der Bau, die Unterhaltung und die Verwaltung der öffentlichen Straßen (§§ 1 – 3, 11 und 14 LStrG) den Organen und Bediensteten der damit befassten Körperschaften als Amtspflichten in Ausübung öffentlicher Gewalt.

Die – provisorische – Herstellung der Erschließungsstraße ist damit Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und stellt eine hoheitliche Maßnahme dar. Es ist nichts dafür vorgebracht, die Erfüllung dieser Aufgabe sei auf die Ebene des Privatrechts verlagert, indem die Beklagte die gesamte Bauausführung einem Privatunternehmen in eigener Zuständigkeit übertragen hätte (vgl. Senat, Az. 1 U 594/92, Urteil vom 22. November 1995, S. 7 und 8; BGH NJW-RR 1988, 137).

3. Die Grundstücke des Klägers und der Beklagten (Straßengrundstück) sind benachbart; die Beklagte ist enteignungsrechtlich Begünstigte sowie Störerin.

Der Kläger war aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen auch gehindert, verwaltungsgerichtlich Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

Immissionen anläßlich des Baues einer Straße sind von Rechts wegen grundsätzlich hinzunehmen (vgl. Nachweise...

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