Leitsatz (amtlich)

1. Die einjährige Anfechtungsfrist des § 2283 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erblasser von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt. Der Erblasser muss dabei alle Tatsachen kennen, die erforderlich sind, um die Sachlage beurteilen zu können (in Anknüpfung an BGH, Urt. v. 3.11.1960 - III ZR 52/67, NJW 1970, 279, Juris Rz. 19; BayObLG, Beschl. v. 30.3.1990 - BReg 1a Z 14/90 - BayObLGZ 1990, 95 ff. = NJW-RR 1990, 846 f.., Juris Rz. 32 ff.; OLG Frankfurt, Beschl. v. 6.6.1997 - 20 W 606/94, Juris Rz. 29).

Bei Erwartung eines harmonischen Zusammenlebens beginnt die Frist mit der sichereren Überzeugung des Erblassers vom Scheitern dieser Erwartung (in Anknüpfung an BGH, Urt. v. 18.6.1973 - IV ZR 121/70, FamRZ 1973, 539).

2. Der Wirksamkeit des Erbvertrages steht nicht entgegen, dass er ausschließlich eine Partei bzw. deren Rechtsnachfolger begünstigt. Daraus lässt sich ein sittenwidriger Charakter des Erbvertrags nicht ableiten. Denn der Erbvertrag verlangt keine gegenseitigen bzw. wechselseitigen Verfügungen. Es wird allenthalben zwischen einseitigen, zweiseitigen und mehrseitigen oder gegenseitigen Erbverträgen unterschieden. Für die rechtliche Einordnung als Erbvertrag reicht es daher aus, dass zumindest ein Vertragsteil mit erbrechtlicher Bindungswirkung einen oder mehrere Erben einsetzt oder Vermächtnisse oder Auflagen anordnet.

 

Normenkette

BGB § 2281 Abs. 1, §§ 2078-2079

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 30.06.2014; Aktenzeichen 8 O 79/11)

 

Tenor

Der Senat erwägt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 15. Zivilkammer des LG Koblenz - Einzelrichter - vom 30.6.2014 durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

 

Gründe

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung ist nicht geboten. Der Klägerin wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 24.2.2015. Es wird zur Vermeidung weiterer Kosten angeregt, die Berufung zurückzunehmen. In diesem Fall ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 Kostenverzeichnis zum GKG). Die Gründe werden nachfolgend dargestellt:

I. Die Klägerin begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit eines Erbvertrages.

Die Parteien lebten in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammen. Sie schlossen unter Beteiligung der Tochter der Klägerin, Frau Heike Hinkfuss, am 27.10.2004 vor dem Notar Günter Seume, Linz am Rhein, einen Erbvertrag (Anlage K 5). Danach vermachte die Klägerin dem Beklagten näher bezeichneten Grundbesitz in Linz (Mühlengasse 12 und Linzhausenstraße 52 und 54) und verzichtete die Tochter auf ihr Pflichtteilsrecht insoweit als der vermachte Grundbesitz bei der Berechnung als nicht zum Nachlass gehörend angesehen wird.

Die Klägerin stürzte am 4.11.2007 nachts die Treppe in ihrem Haus hinunter und trug erhebliche Verletzungen davon. Ein gegen den Beklagten wegen des Vorfalls eingeleitetes Strafverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung, begangen im Zustand verminderter Schuldfähigkeit, wurde von dem AG Linz gegen Zahlung einer Geldbuße nach § 153a Abs. 2 StPO eingestellt (2080 Js 78613/07 3 Ds).

Am 8.10.2013 ließ die Klägerin die Anfechtung des Erbvertrages notariell beurkunden (Anlage K 9).

Sie hat die Auffassung vertreten, die Anfechtung sei wirksam und insbesondere fristgerecht erfolgt, da sie erst am 10.9.2013 erfahren habe, dass der Erbvertrag nicht formunwirksam sei. Der Erbvertrag sei aber ohnehin nichtig, da er gegen die guten Sitten verstoße.

Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, dass der zwischen den Parteien vor dem Notar Günter Seume mit Amtssitz in Linz am Rhein am 27.10.2004 (Ur.-Nr. 1447/2001) gemeinschaftlich mit dem Beklagten und Frau Heike Hinkfuss geschlossene Erbvertrag unwirksam sei, hilfsweise, festzustellen, dass der Beklagte sich auf die Wirksamkeit des Vertrages nicht berufen könne.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, eine wirksame Anfechtung des Erbvertrages liege nicht vor, weil sie verfristet sei. Der Erbvertrag sei auch nicht aus anderen Gründen unwirksam oder nichtig.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.

Das LG sei bei seiner Würdigung von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Sie, Klägerin, sei erstmals am 27.2.2007 durch Rechtsanwalt Haltenhof beraten worden, dass sie sich wegen des Erbvertrages keine Sorgen machen müsse. Das LG sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass sie bei Abschluss des Erbvertrages von ihrer Tochter begleitet worden sei. Der Sache nach liege kein Erbvertrag mit wechselbezüglichen Verpflichtungen, sondern ein Testament vor, das jederzeit angefochten werden könne. Der Erbvertrag sei sittenwidrig, weil er eine einseitige Bindungswirkung zu ihren Lasten vorsehe und keinen Rücktrittsvorbehalt für den Fall des...

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