Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung der Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens im Hauptprozess nur bei Identität der Parteien und des Streitstoffs

 

Leitsatz (amtlich)

Waren Baumängel Gegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens und ist im Hauptprozess nur entscheidungserheblich, ob der Beweissicherungantrag die Verjährung unterbrochen hat, fehlt es an der für eine Erstattung der Beweissicherungskosten erforderlichen Identität des Streitstoffs.

 

Normenkette

ZPO §§ 91, 104, 485; BGB § 477 Abs. 2, § 639 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Aktenzeichen 9 O 113/00)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Koblenz vom 6.7.2001 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die nach dem Urteil des LG Koblenz vom 23.1.2001 von der Klägerin an die Beklagte zu erstattenden Kosten werden auf 3.141,02 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 6.2.2001 festgesetzt.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens (Wert: 3.719,81 DM) zu tragen.

 

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Die im Verfahren der Beweissicherung angefallenen Gerichtskosten sind nicht solche des hier nachfolgenden Streitverfahrens. Sie sind daher nicht entsprechend der vom LG im Urteil vorgenommenen Kostenverteilung von der Klägerin zu erstatten.

1. Das selbstständige Beweisverfahren wurde von der Beklagten betrieben gegen die H. & J. J. GmbH & Co. KG. Gerügt wurden Mängel der Bauleistung. Die Feststellung der behaupteten Mängel war nach ihrem Vorbringen erforderlich, weil der „Verzicht” auf die Einrede der Verjährung über den 1.9.1997 hinaus abgelehnt worden war.

Der Prozess auf Herausgabe von Bürgschaftsurkunden wurde geführt von der Werkstätte für Denkmalspflege H. & J. J. GmbH & Co. KG.

Mit Urt. v. 23.1.2001 hat die Kammer das Versäumnisurteil vom 11.7.2000 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Nach dem Versäumnisurteil war die Beklagte verpflichtet gewesen, eine Bürgschaftsurkunde – Wert: 29.600 DM – herauszugeben.

Begründet ist das streitige Endurteil damit, dass kein Herausgabeanspruch bestehe, weil die Gewährleistungsfrist noch nicht abgelaufen sei. Die Parteien des Beweisverfahrens sowie des Prozesses seien identisch. Der rechtzeitige eingegangene Beweisantrag habe die Verjährung unterbrochen, so dass die Gewährleistungsfrist noch nicht abgelaufen sei und nach dem Inhalt der Bürgschaftsurkunde Herausgabe derselben nicht verlangt werden könne.

2. Die Einbeziehung der im selbstständigen Beweisverfahren angefallenen Kosten in einen nachfolgenden Prozess setzt die Identität der Parteien und des Streitgegenstandes voraus.

An dem zweiten Erfordernis fehlt es hier.

a) Dem LG ist darin zu folgen, dass die Bezeichnung der Antragsgegnerin im Beweisverfahren lediglich unvollständig war, indem der erste Teil der Firmenbezeichnung „Werkstätte für Denkmalspflege” fehlte. Eine Verwechslung mit der hiervon zu unterscheidenden „H. & J. mbH” kam nicht in Betracht. Damit stand die Identität fest und wäre durch eine Berichtigung gewahrt geblieben (vgl. Zöller, ZPO, 22. Aufl., § 319 Rz. 14 m.w.N.).

b) Die Streitgegenstände sind nicht identisch.

Der Begriff des Streitgegenstands ist nicht im technisch prozessualen Sinn zu verstehen. Die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens findet sowohl dann statt, wenn es die Grundlage für Ansprüche des Antragstellers bilden soll, als auch dann, wenn es der Abwehr von Ansprüchen des Antragsgegners dient.

Daher besteht beim Streit von Bauvertragsparteien über Mängel der Werkleistung eine Identität des Streitgegenstandes auch dann, wenn der Antragsteller die behaupteten Mängel, deren Vorhandensein im Beweisverfahren zu klären ist, gegenüber vom Antragsgegner klageweise erhobenen Ansprüchen – etwa Werklohnansprüchen – einwendet (vgl. OLG Hamm v. 28.12.1999 – 21 W 34/98, MDR 2000, 790).

Erforderlich ist aber, dass sich das Gericht im Hauptsacheverfahren mit derselben Angelegenheit befasst und hierüber entscheidet, die zuvor Gegenstand der Beweissicherung war (vgl. OLG Hamm JurBüro 1996, 376 re.Sp. m.w.N.).

An einer solchen Befassung und Entscheidung des Prozessgerichts fehlt es hier.

Das LG hat die auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde gerichtete Klage abgewiesen, weil das selbstständige Beweisverfahren die Verjährung unterbrochen habe (§§ 639 Abs. 1, 477 Abs. 2 BGB). Die Gewährleistungsfristen seien daher nicht abgelaufen, und nach dem Inhalt der Bürgschaftsurkunde (Gewährleistungsbürgschaft) könne diese noch nicht zurückgefordert werden.

Das Gericht hat bei seiner Beurteilung und Entscheidung damit nicht über den Grund eines Anspruchs, nämlich die Rechtfertigung von Gewährleistungsansprüchen für das klageabweisende Urteil befunden. Für das Prozessgericht war vielmehr nur entscheidend, dass die rechtzeitige Einleitung des Beweisverfahrens zur Verjährungsunterbrechung geführt hatte. Ob tatsächlich Gewährleistungsansprüche bestanden, war für die Entscheidung über das Klagebegehren rechtlich nicht von Bedeutung. Erheblich war vielme...

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