Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückforderung überzahlter Anwaltsgebühren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Aufrechnung mit einer Vergütungsforderung des Rechtsanwalts ist erst zulässig, wenn dem Auftraggeber eine ordnungsgemäße Berechnung zugegangen ist. Dass der Rechtsanwalt seine Vergütung nur aufgrund einer von ihm unterzeichneten und dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung einfordern kann, gehört zum Basiswissen eines Anwalts. Darauf muss das Gericht vorterminlich nicht hinweisen. Sieht der Anwalt sich durch den gerichtlichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung überrascht und reagiert er weder durch Flucht in die Säumnis noch durch einen Antrag nach § 139 Abs. 5 ZPO, erfordert die nachgereichte unterzeichnete Berechnung keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

2. Stützt der Rechtsanwalt auch in zweiter Instanz seine Aufrechnung auf nunmehr formwirksame Honorarnoten, kann das nur unter den Voraussetzungen des § 533 ZPO berücksichtigt werden.

3. Eine Weisung des Mandanten, von einer Streitwertbeschwerde aus eigenem Recht des Anwalts abzusehen (§ 32 RVG), ist grundsätzlich unbeachtlich.

4. § 49b Abs. 2 Satz 1 BRAO erfasst nicht die nachträgliche Vereinbarung, dass die Vergütungshöhe für eine vollständig abgeschlossene außergerichtliche Tätigkeit davon abhängig ist, in welchem Umfang ein schadensersatzpflichtiger Dritter die Kosten der außergerichtlichen Vertretung ersetzen muss.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 215, 387, 812; ZPO §§ 42, 156, 139, 296a, 533, 538; RVG §§ 3a, 10 Abs. 1 S. 1, § 32 Abs. 2 S. 1; BRAO § 49b Abs. 2; BRAGO §§ 16, 18; GKG § 68

 

Verfahrensgang

LG Trier (Aktenzeichen 5 O 233/09)

 

Tenor

Wegen Rückzahlung von Anwaltshonorar weist der 5. Zivilsenat des OLG Koblenz die Beklagten darauf hin, dass beabsichtigt ist, ihre Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen (§ 522 Abs. 2 ZPO).

 

Gründe

Die Berufung ist ohne Aussicht auf Erfolg. Das LG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Was die Berufung dagegen vorbringt, ist nicht stichhaltig.

I. Die beklagten Rechtsanwälte hatten die Klägerin in einer Erbbaurechtsangelegenheit gegen einen Herrn G. (künftig nur noch: Schuldner) vertreten. Die Hauptsache konnte außergerichtlich geregelt werden. Streit bestand nur noch darüber, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Schuldner die Anwaltskosten erstatten musste, die der Klägerin durch die Beauftragung der beklagten Rechtsanwälte entstanden waren.

Deswegen nahm die wiederum von den Beklagten anwaltlich vertretene Klägerin den Schuldner in dem Verfahren 4 O 80/06 LG Trier auf Zahlung von 5.800 EUR nebst Zinsen in Anspruch. Daneben formulierten die Beklagten namens der Klägerin den Antrag, diese von Anwaltsgebühren der Beklagten von 49.085,17 EUR freizustellen. Letztlich stellten sie einen Feststellungsantrag hinsichtlich eines drohenden Zukunftsschadens.

Zahlungs- und Feststellungsantrag hatten umfassend Erfolg, der Freistellungsantrag nur zu einem Teilbetrag von 5.490,05 EUR, was zu einer Kostenquote der Klägerin von 75 % führte. Dementsprechend hatte der Schuldner insgesamt Anwaltskosten von 11.290,05 EUR an die Klägerin zu zahlen.

Da die Klägerin an die Beklagten für die außergerichtliche Vertretung bereits ein höheres Anwaltshonorar von 18.268 EUR, gezahlt hat, verlangt sie mit der vorliegenden Klage die Erstattung der Differenz von 6.977,95 EUR nebst Zinsen.

Dafür stützt sie sich auf Ende November 2006 geführte Korrespondenz (E-Mail der Klägerin vom 21.11.2006 und Antwortschreiben der Beklagten vom 22.11.2006).

Dabei soll nach dem Klagevorbringen vereinbart worden sein, dass die Honorarforderung der Beklagten wegen der außergerichtlichen Vertretung auf den vom Schuldner letztlich zu zahlenden Betrag, mithin 11.290,05 EUR, beschränkt ist.

Die Beklagten widersprechen dieser Interpretation, erheben weitere Einwände und verteidigen sich letztendlich mit Aufrechnungsforderungen.

II. Gestützt auf § 812 Abs. 1 Satz 1 erste Alternative BGB hat das LG der Klage stattgegeben. Die von der Klägerin behauptete Vereinbarung eines Anwalthonorars von lediglich 11.290,05 EUR stehe zur Überzeugung der Kammer fest. Daher seien die Beklagten verpflichtet, der Klägerin die Überzahlung zu erstatten.

Der Einwand der Beklagten, tatsächlich sei ihr Gebührenanspruch höher, weil das LG Trier in dem Verfahren 4 O 80/06 einen erheblich zu niedrigen Streitwert angenommen habe, sei nicht stichhaltig. Denn die Beklagten hätten aus eigenem Recht gegen den vermeintlich zu niedrigen Streitwert Rechtsmittel einlegen können. Soweit die Beklagten das Urteil in der Sache 4 O 80/06 als fehlerhaft ansähen, sei es ihnen möglich gewesen, in Absprache mit der Klägerin in deren Namen, jedoch auf (Kosten-) Risiko der Beklagten Berufung einzulegen.

Aufrechenbare Gegenansprüche der Beklagten scheiterten an § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG.

III. Mit ihrer Berufung wiederholen, vertiefen und ergänzen die Beklagten ihren erstinstanzlichen Sachvortrag. Den Aufrechnungseinwand stützen sie auch auf nunmehr unterzeichnete Honorarrechnungen, die sie beim LG Trier nach Schluss...

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