Leitsatz (amtlich)

1. Deliktische Ansprüche gegenüber dem Ehepartner wegen Täuschung bei Abschluss eines Ehevertrags stellen eine sonstige Familiensache dar und können nicht im Scheidungsverbund geltend gemacht werden, auch wenn Gegenstand des Ehevertrags eine Folgesache ist.

2. Werden keine Folgesachen darstellende Ansprüche im Scheidungsverbund geltend gemacht, sind diese abzutrennen und in einem separaten Verfahren zu führen. Eine insoweit erstinstanzlich unterlassene Abtrennung kann noch in der Beschwerdeinstanz erfolgen, wobei die Sache dann auf Antrag an das erstinstanzliche Gericht zurückverwiesen werden kann.

3. Wird mit der Beschwerde eine auf Verfahrensmängel gestützte Zurückverweisung der Sache an das erstinstanzliche Gericht beantragt, prüft das Beschwerdegericht in Ehe- und Familienstreitsachen das erstinstanzliche Verfahren von Amts wegen auf schwerwiegende Mängel. Hierbei ist es mangels Anwendbarkeit von § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht auf die Prüfung von gerügten Verfahrensmängeln beschränkt (Anschluss an: OLG Brandenburg FamRZ 2019, 380 Rn. 30).

4. Eine auf § 1353 BGB gegründete Auskunftspflicht besteht längstens bis zur Rechtskraft der Scheidung. Eine Belegvorlage kann nach § 1353 BGB dabei nicht verlangt werden. Nach dem zeitlichen Ablauf einer auf § 1353 BGB gestützten Auskunftspflicht kommt eine solche zwischen - vormaligen - Eheleuten in engen Grenzen aus § 242 BGB unter dem Aspekt der sich ebenfalls aus § 1353 BGB abgeleiteten Pflicht zu nachehelicher Solidarität in Betracht.

5. Zum Schadensersatzanspruch und einen diesen vorbereitenden Auskunftsanspruch aufgrund von Falschangaben eines Ehegatten dem anderen gegenüber hinsichtlich seiner Vermögensverhältnisse im Zuge des Abschlusses einer wirtschaftlichen Scheidungsfolgenvereinbarung.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 823 Abs. 2, §§ 1353, 1378, 1408; FamFG § 137 Abs. 2, §§ 261, 266; StGB § 263; ZPO §§ 145, 538 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Montabaur (Aktenzeichen 21 F 84/19)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Scheidungsverbundbeschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Montabaur vom 06.07.2020, Aktenzeichen 21 F 84/19 unter Ziffer 3.

1. teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

"Die Anträge der Antragsgegnerin in der Folgesache Zugewinnausgleich werden zurückgewiesen.

Die weitergehenden Ansprüche der Antragsgegnerin auf Zahlung von Schadenersatz nach Auskunftserteilung wegen unerlaubter Handlung werden aus dem Scheidungsverbund abgetrennt."

2. sowie betreffend die weitergehenden Ansprüche der Antragsgegnerin auf Zahlung von Schadenersatz nach Auskunftserteilung wegen unerlaubter Handlung einschließlich des zugrundeliegenden Verfahrens aufgehoben.

II. Insoweit wird die Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges zur erneuten Verhandlung und Entscheidung unter Beachtung der nachfolgenden Ausführungen des Senats zurückverwiesen.

III. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

IV. Der Verfahrenswert wird auf 350.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten waren miteinander verheiratet. Ihre am ... 1976 geschlossene Ehe wurde durch den teilweise angefochtenen Scheidungsverbundbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Montabaur vom 06.07.2020 geschieden. In diesem hat das Amtsgericht die von der Antragsgegnerin im Wege des Stufenantrags verfolgten Ansprüche zum Zugewinnausgleich und die hilfsweise geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von Schadenersatz nach Auskunftserteilung zurückgewiesen. Gegen die Zurückweisung der hilfsweise geltend gemachten deliktischen Ansprüche richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin.

Der Antragsteller ist Inhaber eines im Bereich der Verkehrssicherungstechnik und des Leitplankenbaus tätigen Unternehmens, die Antragsgegnerin ist Werkzeugmachermeisterin. Aus der Ehe der Beteiligten sind eine Tochter (* ... 1976) und ein Sohn (* ... 1988) hervorgegangen.

Die Beteiligten leben seit Mai 2014 voneinander getrennt. Damals ist die Antragsgegnerin aus der Ehewohnung ausgezogen. Im Zuge ihrer Trennung haben die Beteiligten am 15.08.2014 vor dem Notar A. in L. unter der UR-Nr. ... einen Ehevertrag geschlossen, der u. a. den Zugewinnausgleich zwischen ihnen abschließend regeln sollte. Wegen der Einzelheiten wird auf den schriftlichen Vertrag (Bl. 7-13 der erstinstanzlichen Akten) Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, der Antragsteller habe sie in kollusivem Zusammenwirken mit dem Steuerberater N., dessen handschriftliche Vermögensaufstellung (Bl. 25-27der Akten GÜ) Grundlage der zum Abschluss des notariellen Ehevertrages führenden Vergleichsgespräche war, über seine Vermögenssituation getäuscht und so zum Abschluss des für sie unvorteilhaften Ehevertrages veranlasst. Ihr hätte eine wenigstens um 3,5 Millionen Euro höhere Ausgleichszahlung zugestanden.

Mit Schreiben vom 29.01.2020 und vom 14.02.2020 hat die Antragsgegnerin daher den Ehevertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten und den Antragsteller im ...

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