Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrechtswidrige Zustellung statt Verkündung

 

Leitsatz (amtlich)

Die verfahrensrechtswidrige Zustellung einer Entscheidung statt ihrer Verkündung berührt die Wirksamkeit nicht.

Die Übergabe eines nicht durch Verlesen der Entscheidungsformel erlassenen Beschlusses wird vom Richter nicht beurkundet. Eine Beurkundung der Übergabe durch den Richter ist im Gesetz nicht vorgesehen. Der Verlautbarungswille wird allein durch die Übergabe des unterschriebenen Beschlusses betätigt.

Die Endentscheidung in einer Scheidungssache ist den Beteiligten zuzustellen, ohne dass es dazu einer Verfügung des Richters bedarf. Ob und wie zuzustellen ist, entscheidet der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle in eigener Zuständigkeit und Verantwortung.

Das Beschwerdegericht ist nicht auf die Prüfung von Verfahrensmängeln beschränkt, die der Beteiligte benennt, der die Zurückverweisung beantragt. Es bedarf nicht einer Rüge eines bestimmten Verfahrensfehlers.

 

Normenkette

FamFG § 38 Abs. 3, § 69 Abs. 1 S. 3; ZPO § 166 Abs. 2, § 317 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Nauen (Aktenzeichen 20 F 53/13)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 12. Februar 2018 aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht Nauen zurückverwiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

 

Gründe

Die Antragstellerin wendet sich gegen den Ausspruch einer von ihr beantragten Scheidung, die mit ihr ungünstigen Entscheidungen über Unterhalt und Zugewinnausgleich verbunden worden ist.

I. Den Antrag auf Scheidung ihrer Ehe mit dem Antragsgegner hat die Antragstellerin verbunden mit den Anträgen, den Antragsgegner zur Zahlung von Unterhalt in Höhe von monatlich 400 Euro (Bl. 112 UE) und von Zugewinnausgleich in Höhe von 44.748 Euro nebst Zinsen (Bl. 84 GÜ) zu verpflichten. Der Antragsgegner hat beantragt, diese Anträge abzuweisen.

Das Amtsgericht hat am 5. September 2017 letztmals mündlich verhandelt (Bl. 266 ff.). Die Antragstellerin hat einen weiteren Schriftsatz eingereicht (Bl. 117 ff. GÜ). In einem auf den 24. Oktober 2017 anberaumten Verkündungstermin (Bl. 270) hat es einen Hinweis und die Bestimmung eines erneuten Verkündungstermins auf den "21.11.2010" verkündet (Bl. 278 f., 282 f.). Zu dem Hinweis hat die Antragstellerin Stellung genommen (Bl. 288 ff.). Am 21. November 2017 hat das Amtsgericht einen weiteren Hinweisbeschluss verkündet, der mit einer Fristsetzung zur Stellungnahme binnen zwei Wochen endet (Bl. 291 f., 295 f.). Nach der Zustellung jenes Beschlusses (Bl. 302 f.) haben die Beteiligten zur Sache nichts vorgetragen. Die Antragstellerin hat im Januar 2018 nach dem Fortgang des Verfahrens gefragt (Bl. 303 a).

Nach dieser Anfrage enthalten die Akten einen von der Richterin unterschriebenen Beschluss (Bl. 304 bis 316), mit dem die Ehe geschieden worden ist, Anordnungen zum Versorgungsausgleich getroffen worden sind, der auf Unterhaltszahlung gerichtete Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen und ihrem auf eine Zugewinnausgleichszahlung gerichteten Antrag teilweise stattgegeben worden ist; im übrigen ist er zurückgewiesen worden. Nach der Unterschrift ist, unterschrieben von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, vermerkt: "Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz FamFG): durch Übergabe an die Geschäftsstelle 12.02.2018" (Bl. 316). In den Gründen des Beschlusses ist im Abschnitt "Güterrecht" der Vortrag der Beteiligten wiedergegeben worden. Danach ist begründet worden, dass den Vermögen zu bestimmten Stichtagen bezeichnete Beträge hinzuzurechnen oder nicht hinzuzurechnen seien. Der betreffende Abschnitt endet mit den Sätzen: "Nach alldem ergibt sich für den Zugewinnausgleichsanspruch die in der anliegenden Tabelle enthaltenen Berechnung. Der darüber hinausgehender Antrag war deshalb zurückzuweisen" (Bl. 314 f.). In den Akten folgen auf den Beschluss mit 316 a bis 316 e numerierte Blätter, die gedruckte Tabellen enthalten; eine Unterschrift trägt keines dieser Blätter. Eine nicht unterschriebene Verfügung ordnet die Zustellung "des Beschlusses vom 09.02.2018" an die Beteiligten an (Bl. 317 f.).

Nach der Zustellung (Bl. 338) haben die Antragstellerin und der Antragsgegner darauf hingewiesen, die in der Entscheidung erwähnte Tabelle habe dem Beschluss nicht beigelegen (Bl. 339, 342). Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die erneute Zustellung des Beschlusses "mit der Tabelle zum Zugewinnausgleich" verfügt (Bl. 340).

Die Antragstellerin hat Beschwerde erhoben. Sie meint, bei dem angefochtenen Beschluss handele es sich um einen "Nichtbeschluss", der keinerlei rechtliche Wirkung entfalte und zur Beseitigung seiner Scheinwirkung angefochten werden könne. Da der Beschluss nicht verkündet worden sei und eine Zustellung an Verkündungs statt nicht verfügt worden sei, seien die Mindestanforderungen an eine ordnungsgemäße Verlautbarung nicht eingehalten. Es sei nicht festzustellen, dass das Gericht eine wie auch immer geartete ...

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