Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtbarkeit der staatsanwaltschaftlichen Entscheidung über Akteneinsicht für Dritte. Weitergabe von im Strafverfahren gewonnenen persönlichen Daten an eine andere Behörde zum Zwecke der Durchführung eines Disziplinarverfahrens. Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung. Auf einem privaten PC gespeicherte strafrechtlich nicht relevante Daten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Soweit in den Fällen der §§ 474, 476 StPO der Antragsteller im Einzelfall Träger eigener Rechte im Sinne des § 24 Abs. 1 EGGVG ist und jedenfalls eine Verletzung seines Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung geltend machen kann, steht ihm gegen Entscheidungen der Staatsanwaltschaften über Akteneinsicht und Auskunft, auch nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens, der Rechtsweg nach § 23 ff. EGGVG offen.

2. Personenbezogene Daten, die von einem sichergestellten Rechner und Mobiltelefon ausgedruckt werden, werden Bestandteil der strafrechtlichen Ermittlungsakte und unterliegen damit den für die Akteneinsicht und Erteilung von Auskünften geltenden Regelungen (§§ 474 ff. StPO) und nicht dem für die Übermittlung in gerichtlichen oder behördlichen Dateien gespeicherter personenbezogener Daten geltenden Regelungskonzept der §§ 483 ff. StPO.

3. Die Erforderlichkeit der Einsicht in strafrechtliche Ermittlungsakten für ein von einer Justizbehörde eingeleitetes Disziplinarverfahren ist grundsätzlich von der beantragenden Behörde zu prüfen und zu verantworten. Besonderer Anlass zu einer weitergehenden Überprüfung der Zulässigkeit der Übermittlung von Daten im Sinne des § 474 Abs. 4 Satz 2 StPO besteht jedoch dann, wenn die Ermittlungsakten Daten aus dem persönlichen Lebensbereich des Beschuldigten enthalten, insbesondere dann, wenn von ihm genutzte kommunikationstechnische Systeme (Mobiltelefone, Rechner etc.) beschlagnahmt und zum Gegenstand der strafrechtlichen Ermittlungen gemacht worden sind.

4. In der Weitergabe von im Strafverfahren gewonnenen persönlichen Daten an eine andere Behörde liegt ein über die Sicherstellung und Beschlagnahme dieser Daten für die Zwecke des Strafverfahrens hinausgehender Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.

5. In diesen Fällen gebietet das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eine dem Wesensgehalt des Grundrechts Rechnung tragende, maßgeblich am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgerichtete Einzelprüfung, welche persönlichen Daten im Rahmen der Akteneinsicht weitergeleitet werden können.

6. Die Weitergabe persönlicher, nicht dem unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzuordnender Daten im Rahmen der Akteneinsicht bedarf der Rechtfertigung durch ein überwiegendes Allgemeininteresse; ein solches besteht grundsätzlich auch an privatem Verhalten Angehöriger des öffentlichen Dienstes, welches auf die dienstlichen Belange ausstrahlt. Auch mit seinem Verhalten außerhalb des Dienstes muss der Antragsteller der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Amt und Beruf erfordert.

7. Der Prüfungsmaßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist bei der Weitergabe persönlicher Daten an andere Justizbehörden im Gegensatz zum Vorgang der strafrechtlichen Ermittlung dahingehend verschoben, als hier nicht das - von seiner Bedeutung hoch anzusiedelnde - Interesse der Allgemeinheit an der Aufklärung von Straftaten berührt ist, sondern lediglich ein sonstiger im Interesse der Allgemeinheit liegender Zweck Gegenstand der Abwägung ist.

8. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit eines in der Weitergabe von persönlichen Daten aus dem Strafverfahren liegenden Eingriffs müssen die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsbehörden und die Gerichte der besonderen Intensität des Grundrechtseingriffes und der besonderen Gefährdungen des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung durch die Nutzung kommunikationstechnischer Systeme Rechnung tragen. Die Gewährung effektiven Rechtsschutzes erfordert, dass das Interesse des Beschuldigten an einer Geheimhaltung sensibler persönlicher Daten im Rahmen der Abwägung gegen Interessen der Allgemeinheit bestmöglich zur Geltung gebracht wird.

9. Niemand, auch nicht ein Angehöriger des öffentlichen Dienstes in verantwortlicher Stellung, muss damit rechnen, dass private pornografische Aufnahmen, deren Herstellung und Besitz keinen Straftatbestand erfüllen und die auf einem ausschließlich privat genutzten Rechner als Speichermedium zur alleinigen privaten Verwendung niedergelegt werden, zum Gegenstand einer disziplinarrechtlichen Untersuchung gemacht werden. Insofern ist zu unterscheiden zwischen persönlichen pornografischen Aufnahmen, die nicht weitergegeben werden dürfen, und solchen, die aus dem sog. Internet heruntergeladen und gespeichert werden.

10. Technische Schwierigkeiten und Probleme der Unterscheidbarkeit ...

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