Leitsatz (amtlich)

Trinkgeldempfehlungen von Reiseveranstaltern in Form einer Widerspruchslösung (opt-out-Gestaltung) sind unwirksam.

 

Normenkette

BGB § 312a Abs. 3 S. 1; EURL 83/2011 Art. 22 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 30.10.2017; Aktenzeichen 15 O 36/17)

 

Nachgehend

OLG Koblenz (Beschluss vom 14.06.2019; Aktenzeichen 2 U 1260/17)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 30.10.2017, Az. 15 O 36/17, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 20.11.2017 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 14.03.2019.

 

Gründe

I. Das Landgericht hat die beklagte Reiseveranstalterin durch Urteil vom 30.10.2017 (Bl. 82 ff. GA) in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 20.11.2017 (Bl. 91a f. GA) verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollstrecken an den Geschäftsführern, zu unterlassen,

in Bezug auf Reiseverträge, die mit Verbrauchern geschlossen werden,

die nachfolgende oder eine inhaltsgleiche Bestimmung als Allgemeine Geschäftsbedingung einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmung bei der Abwicklung derartiger Verträge zu berufen

"Trinkgeldempfehlung: [Sie sind sicher gerne bereit, die Leistung der Servicecrew durch Trinkgeld zu honorieren.] Hierfür wird auf Ihrem Bordkonto ein Betrag i.H.v. 10,- pro Person/Nacht an Bord gebucht, die Sie an der Rezeption kürzen, streichen oder erhöhen können.",

soweit die Bestimmung als Allgemeine Geschäftsbedingung vom Verbraucher nicht gesondert bestätigt worden ist,

sowie an den Kläger einen Betrag in Höhe von 214,00 EUR nebst Zinsen seit dem 01.04.2017 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

Zur Begründung hat der Einzelrichter insbesondere ausgeführt, der Kläger als qualifizierte Einrichtung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG habe einen entsprechenden Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte aus § 1 UKlaG, da es sich bei der streitgegenständlichen in einem Reiseprospekt verwendeten Klausel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handele, die mit wesentlichen Grundgedanken der hier anwendbaren gesetzlichen Regelung des § 312a Abs. 3 S. 1 BGB, von der sie abweiche, nicht zu vereinbaren und daher nach § 307Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sei. Die streitgegenständliche Bestimmung könne nur wirksam vereinbart werden, wenn der Verbraucher diese gesondert bestätige.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung des Urteils wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt und hilfsweise die Gewährung einer Aufbrauchsfrist von 6 Monaten für zum Zeitpunkt der Rechtskraft noch vorhandene Printmedien (Kataloge) begehrt.

Die Beklagte macht insbesondere geltend, § 307 BGB finde bereits deshalb keine Anwendung, da es sich bei der hier streitigen Trinkgeldempfehlung nicht um eine Allgemeine Geschäftsbedingung nach § 305 Abs. 1 BGB handele. Zudem habe das Landgericht zu Unrecht einen Verstoß gegen § 312a Abs. 3 S. 1 BGB angenommen. Denn der Reisekunde entschließe sich nach dem Studium des Reiseprospektes, ein Angebot zum Abschluss des Vertrages abzugeben, welchen die Beklagte durch eine Reisebestätigung annehme. Dies bedeute, dass der Reisekunde vor Abgabe einer Willenserklärung und somit vor Vertragsschluss erklären könne, dass er eine Belastung seines Bordkontos nicht wünsche. Vor Vertragsschluss könne damit eine Vereinbarung über die Abwicklung von Trinkgeldern vom Verbraucher ausdrücklich getroffen werden. Es handele sich überdies lediglich um eine Empfehlung, der der Reisekunde bereits bei Abgabe seiner Willenserklärung auf Abschluss eines Reisevertrages nicht zu folgen brauche. Auch von ihrem Sinn und Zweck her finde die Vorschrift des § 312a BGB auf die streitige Trinkgeldempfehlung keine Anwendung. So führe § 312a Abs. 2 BGB lediglich Fracht-, Liefer- oder Versandkosten auf, § 312a Abs. 3 BGB verhalte sich über zusätzliche Bearbeitungskosten, worunter eine Trinkgeldempfehlung ebenfalls nicht zu fassen sei.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes - einschließlich der gestellten Anträge - wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Tatbes...

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