Entscheidungsstichwort (Thema)

Entstehung und Erstattung der Kosten des Berufungsbeklagten bei Rechtsmittel- rücknahme vor Begründung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Berufungsbeklagte kann regelmäßig nicht selbst abschätzen, was zu seiner Rechtsverteidigung erforderlich ist. Ihm ist deshalb nicht zuzumuten, einen Anwalt erst dann zu beauftragen, wenn der Berufungsführer sich entschließt, die ohne entsprechende Mitteilung nur zur Fristwahrung eingelegte Berufung auch durchzu- führen.

2. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 RVG - VV entsteht bereits für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information der Partei. Eine nach außen erkennbare Tätigkeit des beauftragten Rechtsanwalts ist nicht erforderlich.

 

Normenkette

ZPO §§ 91, 511, 516 Abs. 3; RVG-VV Nr. 3201; BRAO §§ 43, 49b

 

Verfahrensgang

LG Trier (Beschluss vom 23.02.2012; Aktenzeichen 5 O 119/10)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Trier vom 23.2.2012 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger.

3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.406,58 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger legte am 7.10.2011 gegen das Urteil des LG Trier vom 25.8.2011, zugestellt am 12.9.2011, Berufung ein und verwies für die Verfahrensanträge und deren Begründung auf einen gesonderten Schriftsatz. Am 9.11.2011 beantragte er die Verlängerung der Berufungsbegründungfrist und kündigte innerhalb der verlängerten Frist die Vorlage der Berufungsbegründung an. Am 9.12.2011 nahm er die Berufung zurück, bevor sich ein Bevollmächtigter für die Beklagten zu den Gerichtsakten bestellt hatte. In den Schriftsätzen wurde nicht darauf hingewiesen, dass die Berufung lediglich zur Fristwahrung eingelegt wird.

Am 29.12.2011 beantragten die Beklagten, gegen den Kläger eine 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 RVG VV nebst einer 0,3 Erhöhungsgebühr aus dem festgesetzten Gegenstandswert von 33.000 EUR i.H.v. 1.162 EUR netto nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer festzusetzen. Dem ist der Kläger mit dem Argument entgegengetreten, dass die Gebühr nicht angefallen sei, da sich der Bevollmächtigte der Beklagten im Berufungsverfahren nicht bestellt habe. Die Beklagten machen geltend, dass mit der Zustellung der Berufung bereits der Auftrag zur Vertretung im Berufungsverfahren erteilt worden sei. Lediglich auf Wunsch des Klägervertreters habe er sich weder bestellt noch einen Antrag gestellt.

Mit dem angefochtenen Beschluss setzte das LG die Kosten antragsgemäß fest. Die Tätigkeit des Bevollmächtigten im Berufungsverfahren ergebe sich bereits daraus, dass ihm sämtliche Schriftsätze im Berufungsverfahren zugestellt wurden.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner sofortigen Beschwerde vom 29.2.2012. Da zugesagt worden sei, den gegnerischen Bevollmächtigten rechtzeitig zu informieren, wenn das Berufungsverfahren durchgeführt werden solle, habe keine Notwendigkeit bestanden, ihn schon für das Berufungsverfahren zu beauftragen.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 RVG-VV ist entstanden und nach § 91 Abs. 1 ZPO auch erstattungsfähig, denn es handelt sich um notwendige Kosten der Rechtsverfolgung.

Nach Einlegung der Berufung durch den Prozessgegner kann eine Partei regelmäßig nicht selbst beurteilen, was zu ihrer Rechtsverteidigung erforderlich und sachgerecht zu veranlassen ist. Ihr kann nicht zugemutet werden, zunächst die Entscheidung des anwaltlich vertretenen Berufungsführers abzuwarten, ob das Berufungsverfahren tatsächlich durchgeführt wird (BGH NJW 2003, 765 ff.). Ob etwas anderes gilt, wenn der Bevollmächtigte des Berufungsführers die Berufungsgegner unmittelbar und vor Beauftragung des Bevollmächtigten durch diese darüber informiert hat, dass die Berufung lediglich zur Fristwahrung eingelegt wurde, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, weil ein solcher Sachverhalt nicht behauptet wird. Eines nach außen erkennbaren Tätigwerdens des beauftragten Rechtsanwalts bedarf es nicht; die Verfahrensgebühr gem. Nr. 3201 RVG-VV entsteht vielmehr bereits für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information der Partei.

Der Senat hat bereits entschieden (v. 6.8.2007 - 14 W 578/07), dass die streitige Gebühr grundsätzlich bereits dadurch entsteht, dass der Bevollmächtigte, wie dies unwidersprochen und durch den Aktenverlauf dokumentiert geschehen ist, die Berufungsschrift entgegennimmt, die Zulässigkeit des Rechtsmittels prüft und die Beklagten dann davon unterrichtet (vgl. BGH v. 6.4.2005 - V ZB 25/04, MDR 2005, 1016 = BGHReport 2005, 1150 = NJW 2005, 2233; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., Nr. 3200 VV Rz. 21).

Allerdings bedurfte es zusätzlich eines entsprechenden Prozessauftrags, dessen Erteilung der Kläger vorliegend aber nicht in Abrede stellt. Ein derartiger Auftrag erschließt sich ungeachtet dessen aus den Umständen. Er wird vermutet, wenn der Bevollmächtigte bereits erstinstanzlich mit der Prozessvertretung der Beklagten beauftragt war (vgl...

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