Entscheidungsstichwort (Thema)

Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz

 

Verfahrensgang

AG Koblenz (Beschluss vom 17.12.2002; Aktenzeichen 19 F 303/02)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerden der Antragstellerin und des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Koblenz vom 17.12.2002 teilweise abgeändert.

  1. Die Hauptwohnung (Erdgeschoss und Obergeschoss) des Hauses N…straße …, … K…, wird der Antragstellerin zur alleinigen Benutzung zugewiesen.
  2. Dem Antragsgegner wird verboten,

    a. die o. g. Wohnung zu betreten,

    b. sich in einem Umkreis von weniger als 100 m zur o. g. Wohnung aufzuhalten,

    c. Verbindung zur Antragstellerin, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen,

    d. Zusammentreffen mit der Antragstellerin herbeizuführen,

    e. die Antragstellerin und ihrer Familie durch Lärm, Gerüche oder Ähnliches zu stören,

    f. Veränderungen am Grundstück oder am Besitz der Antragstellerin oder ihrer Familie vorzunehmen.

  3. Dem Antragsgegner wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die getroffenen Anordnungen ein Ordnungsgeld bis zu einem Betrag von 250.000,– EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft angedroht.
  4. Die Anordnungen unter Ziffer 1. und 2. werden befristet bis zum 31.07.2003.
  5. Im Übrigen wird der Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen.

II. Die weitergehende Beschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.

III. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin drei Viertel der ihr entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

In Bezug auf die erste Instanz bleibt es bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Beschlusses.

IV. Der Geschäftswert des zurückgewiesenen Teils der Beschwerde des Antragsgegners wird auf 3.000,– EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerden beider Parteien sind nach § 621 e Abs. 1 ZPO zulässig; in der Sache führt das Rechtsmittel der Antragstellerin insgesamt zum Erfolg, während dasjenige des Antragsgegners nur in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang erfolgreich ist.

Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner Ansprüche nach den §§ 1 und 2 GewSchG auf Überlassung der gemeinsamen Wohnung und Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt und Nachstellung.

Die Parteien haben bis zu den hier maßgeblichen Vorfällen in einer auf Dauer angelegten eheähnlichen Lebensgemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt i. S. v. § 2 Abs. 1 GewSchG in der Hauptwohnung des Hauses N…straße … geführt; die im Untergeschoss gelegene Einliegerwohnung war zur Vermietung vorgesehen und wurde von den Parteien nicht selbst (gemeinsam) genutzt. Am 15.06. und am 26.06.2002 hat der Antragsgegner die Antragstellerin widerrechtlich und schuldhaft körperlich angegriffen und verletzt. Dies ist nicht nur durch die eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin vom 28.06./01.07.2002, sondern insbesondere durch die von dem Facharzt für Allgemeinmedizin M. R… jeweils unmittelbar anschließend festgestellten „Würgemale und kleine Abschürfungen linker Kieferwinkel und linke Halsseite” (Vorfall vom 15.06.2002) bzw. Rötung des Halses am 26.06.2002, beides schriftlich bestätigt durch Attest vom 27.06.2002, zur vollen Überzeugung des Senats nachgewiesen. Anhaltspunkte für eine – vorübergehende – Unzurechnungsfähigkeit des Antragsgegners oder für das Vorliegen von Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründen bestehen nicht. Damit sind die Voraussetzungen für ein Eingreifen nach dem Gewaltschutzgesetz (§ 1 Abs. 1 GewSchG) erfüllt.

Nach § 2 Abs. 1 GewSchG hat die Antragstellerin Anspruch darauf, dass ihr die gemeinsam genutzte Wohnung zur alleinigen Benutzung überlassen wird. Der Anspruch wäre nur dann gemäß § 2 Abs. 3 GewSchG ausgeschlossen, wenn weitere Verletzungen nicht zu besorgen wären. Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Das nach dem Gewaltschutzgesetz zum Eingreifen Anlass gebende Verhalten des Täters indiziert zugleich die Wiederholungsgefahr. In Fällen, in denen wie vorliegend Gewalttaten bereits – zweifach – geschehen sind, wird vermutet, dass weitere Taten zu erwarten sind. Dem Täter obliegt die Widerlegung dieser tatsächlichen Vermutung (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 62. Aufl., GewSchG § 1, Rn. 6). Dies ist dem Antragsgegner nicht gelungen. Insbesondere der persönliche Eindruck, den er in der an Ort und Stelle durchgeführten mündlichen Verhandlung des Senats vom 27.01.2003 hinterlassen hat, lässt befürchten, dass der Antragsgegner sich – jedenfalls im Verhältnis zur Antragstellerin – nur unzureichend unter Kontrolle hat und deswegen weitere Gewalttaten drohen.

Der Antragsgegner war nicht in der Lage, der mündlichen Verhandlung in Gegenwart der Antragstellerin bis zum Ende beizuwohnen. Als ihm die Gelegenheit gegeben wurde, zu den zu Beginn der Verhandlung aufgenommenen Erklärungen der Antragstellerin seinerseits Stellung zu nehmen, war er zu einer Antwort nicht fähig. Er erregte sich vielmehr lauthals darüber, dass er „den Bunker hier nur bezahlten dürfe” und verließ umgehend die Wohnung. Als der Senat später versuchte, die von ihm derzeit genutzte Einliegerw...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge