Entscheidungsstichwort (Thema)

Gutgläubiger Erwerb eines unterschlagenen Gebrauchtfahrzeugs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wenn der Verkäufer eines Gebrauchtfahrzeugs unter falschem Namen handelt, kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, welche Person auf Verkäuferseite Vertragspartner sein soll. Bei einem Geschäft, das unter den anwesenden Personen sofort abgewickelt wird (Übergabe des Fahrzeugs nebst Papieren gegen Barzahlung des Kaufpreises), liegt es nahe, dass die als Verkäufer handelnde Person Vertragspartner wird, und nicht etwa derjenige, unter dessen Namen der Verkäufer auftritt.

2. Beim Verkauf von Gebrauchtfahrzeugen durch einen privaten Verkäufer ist eine zügige Abwicklung durch Übergabe des Fahrzeugs gegen Barzahlung heute weit verbreitet. Wenn sich der Verkäufer, der den Wagen unterschlagen hat, durch einen echten Fahrzeugschein und einen gefälschten Fahrzeugbrief legitimiert, können die Voraussetzungen für einen gutgläubigen Eigentumserwerb für den Käufer vorliegen. Der Käufer handelt nicht ohne weiteres grob fahrlässig, wenn er sich über die Identität des Verkäufers nicht durch Vorlage eines Ausweises vergewissert.

 

Normenkette

BGB §§ 164, 932

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Urteil vom 10.09.2010; Aktenzeichen 3 O 73/10 B)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des LG Konstanz vom 10.9.2010 - 3 O 73/10 B - hinsichtlich der Hauptsache wie folgt abgeändert:

1. Der Beklagte wird verurteilt, das Fahrzeug Wohnmobil Euromobil 585 HSS, BJ. 06/1997, Basismodell VW T 4 TDI, Fahrgestell-Nr ... an den Kläger heraus zu geben.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weiter gehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann eine Vollstreckung des Klägers abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 15.000 EUR, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Frage, wer Eigentümer eines Wohnmobils ist. Der Kläger verlangt von dem Beklagten die Herausgabe des Fahrzeugs, das sich in dessen Besitz befindet.

Der Beklagte war jedenfalls bis 2007 Eigentümer des Wohnmobils Euromobil 585 HSS mit der Fahrgestell-Nr ... Am 1.7.2007 vermietete der Beklagte das Fahrzeug an eine unbekannte Person. Das Wohnmobil wurde von dieser Person nicht zurück gebracht, sondern unterschlagen.

Der Kläger ist Gebrauchtwagenhändler. Am 25.7.2007 stieß er in einer Zeitung auf ein Verkaufsangebot für ein Wohnmobil, das sein Interesse fand. In der Anzeige war eine Handy-Nummer des Verkäufers angegeben. Der Kläger nahm telefonisch mit dem Verkäufer Kontakt auf. Am selben Tag fuhr der Zeuge S. im Auftrag des Klägers mit dem Zug nach Nürnberg, um dort den Kauf des Wohnmobils für den Kläger abzuwickeln. Der Zeuge S. fand das Wohnmobil schließlich auf einem Parkplatz im Bereich von Erlangen vor. Es kam vor Ort zum Abschluss eines handschriftlichen Kaufvertrages (Anlage K 1). Die für die Verkäuferseite anwesenden Personen übergaben dem Zeugen S. das Wohnmobil, einen Kraftfahrzeugbrief und den Kfz-Schein. Der Kfz-Brief war, wie sich später herausstellte, gefälscht (vgl. die Kopie in der Anlage K 2). Der Zeuge S. händigte seinen Verhandlungspartnern den vereinbarten Kaufpreis i.H.v. 9.000 EUR vor Ort in bar aus. Das erworbene Fahrzeug überbrachte er dem Kläger.

Der Beklagte stellte wegen der Unterschlagung seines Wohnmobils eine Strafanzeige gegen Unbekannt. Im Zuge der Ermittlungen stellte sich heraus, dass das vom Kläger am 25.7.2007 erworbene Fahrzeug mit dem Wohnmobil identisch war, welches der Beklagte am 1.7.2007 an eine unbekannte Person vermietet hatte. Gegen den Kläger wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Hehlerei eingeleitet. Nachdem der Ermittlungsrichter des AG Konstanz mit Beschluss vom 20.3.2008 eine Beschlagnahme des beim Kläger befindlichen Wohnmobils angeordnet hatte, gab dieser am 23.4.2008 das Fahrzeug an die zuständige Polizeidienststelle heraus. Noch am selben Tag wurde das Wohnmobil von der Polizei an den Beklagten bzw. an eine von diesem beauftragte Person ausgehändigt, da die Ermittlungsbehörden den Beklagten für den Eigentümer des Fahrzeugs hielten.

Der Kläger hat erstinstanzlich vom Beklagten Herausgabe des Wohnmobils verlangt, da er selbst - und nicht der Beklagte - rechtmäßiger Eigentümer des Fahrzeugs sei. Er sei beim Kauf des Fahrzeugs am 25.7.2007 Eigentümer geworden. Außerdem hat der Kläger den Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten verlangt. Der Beklagte ist dem Herausgabeverlangen entgegengetreten. Einem Eigentumserwerb des Klägers stehe entgegen, dass dieser bzw. der Zeuge S. hinsichtlich der Eigentümerstellung des Verkäufers nicht in gutem Glauben i.S.v. § 932 Abs. 1 Satz 1 BGB gewesen sei.

Das LG hat den Beklagten mit Urteil vom 10.9.2010 antragsgemäß zur Herausgabe des Wohnmobils und zur Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten i.H.v. 718,40 EUR verurteilt. Der Kläger s...

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