BGH zum gutgläubigen Erwerb beim Gebrauchtwagenkauf

Beruft sich der Käufer eines gebrauchten Kfz von einem betrügerischen Nichteigentümer auf gutgläubigen Erwerb nach Vorlage eines täuschend echten Kfz-Briefs, muss der bisherige Eigentümer das Fehlen der Gutgläubigkeit beweisen.

Nach wie vor kann der Gebrauchtwagenkauf rechtlich eine heikle Angelegenheit sein. Erwirbt ein Käufer von Gebrauchtwagen-Betrügern ein Fahrzeug, bei dem sich später herausstellt, dass der Verkäufer nicht der rechtmäßige Eigentümer war, so kann sich der Kampf um die Eigentumsrechte am Fahrzeug äußerst schwierig gestalten. In einem aktuellen Urteil hat der BGH die Rechtsposition des gutgläubigen Käufers deutlich gestärkt.

Verkäufer hatte Fahrzeug lediglich geleast

Klägerin des vom BGH entschiedenen Rechtsstreits war eine italienische Handelsgesellschaft, die Fahrzeuge in Italien vertreibt. Im Jahr 2019 erwarb sie über einen von ihr eingeschalteten Vermittler einen gebrauchten Pkw Mercedes Benz von einem deutschen Autohaus zu einem Kaufpreis in Höhe von 30.800 Euro. Wie sich anschließend herausstellte, war das Autohaus nicht Eigentümerin des Fahrzeugs. Eigentümerin war eine Leasinggesellschaft, von der der Verkäufer das Fahrzeug lediglich geleast hatte.

Streitpunkt Zulassungsbescheinigung Teil II

Die Klägerin forderte von der Leasinggesellschaft die Herausgabe des Fahrzeugbriefs, nach neuer Terminologie der Zulassungsbescheinigung Teil II. Dem von der Klägerin eingeschalteten Vermittler war nach seiner Darstellung von dem Autohaus eine echt aussehende Zulassungsbescheinigung vorgelegt, aber nicht ausgehändigt worden. Die Leasinggesellschaft bestritt dies.

Divergierende Instanzentscheidungen

Erstinstanzlich hat das LG die auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung gerichtete Klage abgewiesen und die Klägerin auf die von der Beklagten erhobene Widerklage verurteilt, das Fahrzeug an die Leasinggesellschaft herauszugeben. Nach Auffassung des LG hätte die Klägerin sich die Zulassungsbescheinigung zur Überprüfung aushändigen lassen müssen. Da sie dies unterlassen habe, könne sie sich nicht auf Gutgläubigkeit bei Erwerb des Fahrzeugs berufen. Das OLG hat das landgerichtliche Urteil unter Umkehrung dieser Entscheidung aufgehoben und der Klage auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.

BGH: Käuferin hat gutgläubig Eigentum erworben

Auf die Revision der Beklagten hat der BGH die Berufungsentscheidung des OLG bestätigt. Nach dem Urteil des Senats kann die Klägerin die Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II verlangen, weil sie Eigentümerin des Fahrzeugs geworden ist. Die Klägerin habe das Fahrzeug gemäß § 932 Abs. 1 Satz 1 BGB gutgläubig erworben.

Erwerber muss Gutgläubigkeit lediglich plausibel darlegen

Die von der Beklagten behauptete fehlende Gutgläubigkeit hätte diese nach der Entscheidung des Senats konkret darlegen und beweisen müssen. Die Klägerin, die sich auf gutgläubigen Erwerb berufe, habe lediglich das Vorliegen der Erwerbsvoraussetzungen nach § 929 BGB (Einigung und Übergabe) beweisen müssen, nicht aber ihre Gutgläubigkeit. Diese habe sie lediglich plausibel darlegen müssen.

Sekundäre Darlegungslast des Erwerbers zur Zulassungsbescheinigung

Der BGH replizierte auf seine ständige Rechtsprechung, wonach zu den Mindesterfordernissen für einen gutgläubigen Erwerb eines gebrauchten Kfz die Prüfung der Berechtigung des Verkäufers durch Einsicht in die Zulassungsbescheinigung Teil II gehört (so schon zur Vorlage des Kfz-Briefs: BGH, Urteil v. 27.1.1965, VIII ZR 62/63). Insoweit treffe den Erwerber im Fall des Bestreitens der Gutgläubigkeit durch den ursprünglichen Eigentümer eine sekundäre Darlegungslast. Bei Vorlage einer täuschend echt aussehenden, aber gefälschten Bescheinigung und bei Fehlen weiterer Verdachtsmomente träfen den Erwerber aber keine weiteren Nachforschungspflichten.

Beweislast für fehlende Gutgläubigkeit beim ursprünglichen Eigentümer

Soweit der Erwerber - so der BGH weiter - das grundsätzliche Vorliegen der Erwerbsvoraussetzungen gemäß § 929 BGB (Einigung und Übergabe) beweisen könne und er seine Gutgläubigkeit plausibel dargelegt habe, obliege es dem bisherigen Eigentümer, darzulegen und zu beweisen, dass die Voraussetzungen für die Annahme einer Gutgläubigkeit nicht gegeben seien.

Aushändigung der Zulassungsbescheinigung Teil II nicht zwingend

Zum Beweis mangelnder Gutgläubigkeit reiche der Vortrag, der Erwerber habe sich die Zulassungsbescheinigung Teil II nicht aushändigen lassen, nicht aus. Der Einbehalt dieser Bescheinigung durch den Veräußerer sei in der Praxis aus verschiedenen Gründen nicht unüblich. Wie in dem konkret geschlossenen Kaufvertrag ausdrücklich vereinbart, sollte durch den Einbehalt der Bescheinigung sichergestellt werden, dass die Klägerin die sogenannte „Gelangensbestätigung“ gemäß § 17 a Abs. 2 Nr. 2 UStDV übersendet, mit der bei Lieferungen innerhalb der EU die Umsatzsteuerfreiheit nachgewiesen wird.

Klage stattgegeben, Widerklage abgewiesen

Im Ergebnis besteht nach der Entscheidung des BGH ein Anspruch der Klägerin auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II kraft gutgläubigen Eigentumserwerbs, während die Widerklage auf Herausgabe des Fahrzeugs abzuweisen war.

(BGH, Urteil v. 23.9.2022, V ZR 148/21)


Schlagworte zum Thema:  Kaufvertrag, Bundesgerichtshof (BGH)