Verfahrensgang

LG Baden-Baden (Aktenzeichen 2 O 320/0)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Baden-Baden vom 21.12.2001 – 2 O 320/01 – wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

I. Die Beklagte stellt im Berufungsrechtszug klar, dass ihr – insoweit missverständlich formuliertes – erstinstanzliches Vorbringen auch ein Bestreiten der klägerischen Behauptung enthält, dass der Kläger sein Motorrad am 16.11.2000 auf dem Parkplatz im Industriegebiet B. abgestellt und bei seiner Rückkehr am 18.11.2000 nicht mehr vorgefunden hat. Gleichwohl vermag diese Klarstellung ihrer Berufung nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Grundsätzlich muss der Versicherungsnehmer den Diebstahl seines Fahrzeuges im Bestreitensfall unter Beweis stellen. Beim Nachweis des Versicherungsfalls Diebstahl in der Kfz-Kasko-Versicherung kommen dem Versicherungsnehmer – was das LG im Grundsatz zutreffend berücksichtigt hat – Beweiserleichterungen zugute. Da sich der Versicherungsnehmer im Fall der Entwendung seines Fahrzeugs typischerweise in Beweisnot befindet, entspricht es nach ständiger Rechtsprechung (BGH v. 21.2.1996 – IV ZR 300/94, MDR 1996, 471 = VersR 1996, 575) einer verständigen Auslegung des Versicherungsvertrags, dass die Vertragsparteien den versicherten Entwendungsfall schon dann als nachgewiesen ansehen wollen, wenn Tatsachen feststehen, die nach ihrem äußeren Bild mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine Wegnahme gegen den Willen des Versicherungsnehmers schließen lassen. Dem Versicherungsnehmer kommt deshalb eine Beweiserleichterung insoweit zugute, als er seiner Beweislast schon genügt, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung des Fahrzeugs darlegt und beweist. Die Beweislast bezieht sich auf ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen (BGH v. 13.12.1995 – IV ZR 54/95, MDR 1996, 794 = NJW 1996, 993). Ohne diese Beweiserleichterung wäre der Wert einer Kaskoversicherung in Frage gestellt. Der Versicherungsnehmer bliebe in vielen Fällen der Entwendung schutzlos, obwohl er sich durch den Abschluss des Kaskoversicherungsvertrages gerade auch für Fälle schützen wollte, in denen die Umstände der Entwendung nicht umfassend aufgeklärt werden können (BGH v. 5.5.1981 – VI ZR 186/80, VersR 1981, 684). Das äußere Bild eines Diebstahls ist danach gegeben, wenn der Versicherungsnehmer das Fahrzeug an einer bestimmten Stelle zu einem bestimmten Zeitpunkt abgestellt und es später dort gegen seinen Willen nicht wieder vorgefunden hat (OLG Karlsruhe v. 13.3.1997 – 12 U 315/96, OLGReport Karlsruhe 1997, 51; BGH NJW 1995, 2069).

Vorliegend hat der Kläger allerdings keinen Beweis für diejenigen Tatsachen angeboten, die den äußeren Tatbestand eines Diebstahls erfüllen. Angesichts des – hier gem. § 138 Abs. 4 ZPO zulässigen – Bestreitens mit Nichtwissen durch die Beklagte ist der Kläger gehalten, das Abstellen des Motorrads an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit und das spätere Nichtauffinden am selben Ort – vorrangig durch Zeugen – unter Beweis zu stellen oder darzulegen, dass und warum ihm hierfür keine Zeugen zur Verfügung stehen. Auch dieser auf die Beweismittel bezogenen Darlegungslast ist der Kläger nachgekommen. Stehen dem Versicherungsnehmer – wie hier – keine Beweismittel zur Verfügung, kommt seine mündliche Anhörung durch das Gericht nach § 141 ZPO bzw. eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO in Betracht (vgl. BGH v. 19.2.1997 – IV ZR 12/96, MDR 1997, 546, VersR 1997, 691). Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (BGH v. 21.2.1996 – IV ZR 300/94, MDR 1996, 471 = VersR 1996, 575) kann den Angaben und Behauptungen des Versicherungsnehmers im Rahmen der freien Würdigung des Verhandlungsergebnisses (§ 286 ZPO) auch dann geglaubt werden, wenn dieser deren Richtigkeit sonst nicht beweisen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht der unredliche, sondern der redliche Versicherungsnehmer der Regelfall ist (OLG Karlsruhe v. 21.1.2002 – 12 W 33/01, OLGReport Karlsruhe 2002, 139).

Der Senat hat den Kläger im Termin angehört. Dabei hat er den bestrittenen Vortrag zum äußeren Bild der Entwendung seines Motorrades bestätigt. Der Senat hat keinen hinreichenden Anlass, an der Redlichkeit des Klägers zu zweifeln. Auch die durchaus erwägendenswerten Einwände der Beklagten vermögen solche Bedenken letztlich nicht zu begründen. Dabei hat der Senat insbesondere erwogen, dass das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit dem Abstellen des Motorrades als ungewöhnlich anzusehen ist. Allerdings liefert der Kläger hierfür eine noch plausible Erklärung unter Hinweis auf den unerwarteten Zeitdruck, der seine Absicht, vor Antritt der Fahrt nach Italien zum Parkplatz zurückzukehren und sein Motorrad nach Hause zu bringen, durchkreuzte. Berücksichtigt hat der Senat auch, d...

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