Entscheidungsstichwort (Thema)

Versicherungsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Berücksichtigung von Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers bei der Prüfung der Erfolgsaussicht im Rahmen der Entscheidung über ein Prozesskostenhilfegesuch wegen der Kaskoentschädigung für einen Fahrzeugdiebstahl, wenn der Versicherungsnehmer keine Zeugen benennen kann.

 

Normenkette

ZPO §§ 114, 141; AKB § 12 Abs. 1 Abs. 1b

 

Tatbestand

Der Antragsteller macht aus einer bei der Antragsgegnerin abgeschlossenen Fahrzeugversicherung Ansprüche wegen des Diebstahls einer Zugmaschine geltend. Die Antragsgegnerin bestreitet das Abhandenkommen. Zudem hält sie die Angaben des Antragstellers nicht für glaubhaft, da seine Angaben widersprüchlich und nicht plausibel seien. Zeugen für das Abhandenkommen des Fahrzeugs kann der Antragsteller nicht benennen.

Das LG hat die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt, da Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Antragstellers bestünden und seine Angaben des Antragstellers widersprüchlich und unglaubhaft seien. Die Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

… Grundsätzlich muss der Versicherungsnehmer den Diebstahl seines Fahrzeuges im Bestreitensfall unter Beweis stellen. Beim Nachweis des Versicherungsfalls Diebstahl in der Kfz-Kasko-Versicherung kommen dem Versicherungsnehmer – was das LG im Grundsatz zutreffend berücksichtigt hat – Beweiserleichterungen zugute. Da sich der Versicherungsnehmer im Fall der Entwendung seines Fahrzeugs typischerweise in Beweisnot befindet, entspricht es nach ständiger Rechtsprechung (BGH v. 21.2.1996 – IV ZR 300/94, MDR 1996, 471 = VersR 1996, 575) einer verständigen Auslegung des Versicherungsvertrags, dass die Vertragsparteien den versicherten Entwendungsfall schon dann als nachgewiesen ansehen wollen, wenn Tatsachen feststehen, die nach ihrem äußeren Bild mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine Wegnahme gegen den Willen des Versicherungsnehmers schließen lassen. Dem Versicherungsnehmer kommt deshalb eine Beweiserleichterung insoweit zugute, als er seiner Beweislast schon genügt, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung des Fahrzeugs darlegt und beweist. Die Beweislast bezieht sich auf ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen (BGH v. 19.10.1995 – IX ZR 82/94, MDR 1996, 356 = NJW 1996, 993). Ohne diese Beweiserleichterung wäre der Wert einer Kaskoversicherung in Frage gestellt. Der Versicherungsnehmer bliebe in vielen Fällen der Entwendung schutzlos, obwohl er sich durch den Abschluss des Kaskoversicherungsvertrages gerade auch für Fälle schützen wollte, in denen die Umstände der Entwendung nicht umfassend aufgeklärt werden können (BGH v. 5.5.1981 – VI ZR 186/80, VersR 1981, 684). Das äußere Bild eines Diebstahls ist danach gegeben, wenn der Versicherungsnehmer das Fahrzeug an einer bestimmten Stelle zu einem bestimmten Zeitpunkt abgestellt und es später dort gegen seinen Willen nicht wieder vorgefunden hat (OLG Karlsruhe v. 13.3.1997 – 12 U 315/96, OLGR Karlsruhe 1997, 51; BGH NJW 1995, 2069).

Der Antragsteller hat den Eintritt eines Versicherungsfalles in dem hierfür erforderlichen Umfang vorgetragen. Nach seinem Vortrag stand die Zugmaschine am 11.5.2000 nicht mehr an dem Platz, an dem sie am Abend zuvor abgestellt worden war.

Vorliegend hat der Antragsteller allerdings keinen Beweis für diejenigen Tatsachen angeboten, die den äußeren Tatbestand eines Diebstahls erfüllen. Angesichts des – hier gem. § 138 Abs. 4 ZPO zulässigen – Bestreitens mit Nichtwissen durch die Antragsgegnerin war der Antragsteller gehalten, das Abstellen des Fahrzeugs an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit und das spätere Nichtauffinden am selben Ort – vorrangig durch Zeugen – unter Beweis zu stellen oder darzulegen, dass und warum ihm hierfür keine Zeugen zur Verfügung stehen. Auch dieser auf die Beweismittel bezogenen Darlegungslast ist der Antragsteller nachgekommen. Stehen dem Versicherungsnehmer – wie hier – keine Beweismittel zur Verfügung, kommt seine mündliche Anhörung durch das Gericht nach § 141 ZPO bzw. eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO in Betracht (vgl. BGH v. 19.2.1997 – IV ZR 12/96, MDR 1997, 546 = VersR 1997, 691). Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (BGH v. 21.2.1996 – IV ZR 300/94, MDR 1996, 471 = VersR 1996, 575) kann den Angaben und Behauptungen des Versicherungsnehmers im Rahmen der freien Würdigung des Verhandlungsergebnisses (§ 286 ZPO) auch dann geglaubt werden, wenn dieser deren Richtigkeit sonst nicht beweisen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht der unredliche, sondern der redliche Versicherungsnehmer der Regelfall ist.

Von einem solchen Regelfall kann allerdings nicht mehr ausgegangen werden, wenn konkrete Tatsachen vorliegen, die den Versicherungsnehmer als unglaubwürdig erscheinen lassen, oder sich schwerwiegende Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit und an der Richtigkeit der von ihm aufgestellten Behauptu...

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