Leitsatz (amtlich)

Ein Gesamtschuldnerausgleichsanspruch des Architekten gegen den bauausführenden Unternehmer scheidet aus, wenn der Architekt dem Bauherrn (nur) wegen der Verletzung einer vertraglichen Pflicht zur Objektbegehung (entsprechend der Leistungsphase 9 nach § 15 HOAI 2002) auf Schadensersatz haftet, weil mögliche Ansprüche des Bauherrn gegen den Architekten wegen der Verletzung von Pflichten, die den Leistungsphasen 1 - 8 nach § 15 HOAI 2002 entsprechen, und mögliche Gewährleistungsansprüche des Bauherrn gegen die bauausführenden Unternehmer verjährt sind.

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird die Kostenentscheidung im Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 27.5.2020 - 3 O 141/19 - aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil zurückgewiesen, soweit die Klage gegen den Beklagten zu 2 abgewiesen worden ist.

2. Von den Gerichtskosten in beiden Instanzen trägt die Klägerin 7/8, die Beklagte zu 1 1/8. Die Beklagte zu 1 trägt 1/8 von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen. Die Klägerin trägt 3/4 von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 in beiden Instanzen. Die Klägerin trägt darüber hinaus die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 und zu 3 in beiden Instanzen. Im Übrigen behalten die Parteien ihre Kosten auf sich.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin hat als Haftpflichtversicherer eines Architekten aus übergegangenem Recht einen Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich gegen die Beklagten geltend gemacht. Zum Zeitpunkt der Entscheidung im Berufungsverfahren stehen nur noch Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten zu 2 in Streit.

Im Jahr 2003 beauftragte die Bauherrin für den Bau eines Einfamilienhauses den Versicherungsnehmer der Klägerin (im Folgenden: den Architekten) mit den Leistungen, die den Leistungsphasen 1 - 9 nach § 15 HOAI 2002 entsprechen. In dem Architektenvertrag wurde eine Teilabnahme nach Abschluss der Objektüberwachung (Leistungsphase 8) vereinbart (Ziffer 6.3).

Die Bauherrin beauftragte die Beklagten zu 1 sowie den Beklagten zu 2 und den (zwischenzeitlich prozessunfähigen und unter Betreuung stehenden) Beklagten zu 3 mit Bauleistungen, die diese erbrachten.

Die Abnahme der Werkleistungen der Beklagten zu 1 bis 3 und die Teilabnahme der Leistungen des Architekten nach Abschluss der Objektüberwachung (also für die Leistungen entsprechend der Leistungsphasen 1 bis 8) erfolgte in den Jahren 2004 und 2005.

Nachdem Gewährleistungsansprüche der Bauherrin gegen den Architekten für die Leistungen bis zur Objektüberwachung (Leistungsphasen 1 - 8) und Gewährleistungsansprüche der Bauherrin gegen die Beklagten zu 1 bis 3 unstreitig verjährt waren, leitete die Bauherrin im Jahr 2011 gegen den Architekten ein selbständiges Beweisverfahren ein (3 OH 17/11) und nahm den Architekten im anschließenden Hauptsacheverfahren auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch (3 O 299/14). In beiden Verfahren verkündete der Architekt den Beklagten den Streit (zugestellt am 30.11.2011 und 24.10.2014). Zum Inhalt der Streitverkündung im selbständigen Beweisverfahren wird auf die Streitverkündungsschrift vom 24.11.2011 Bezug genommen. Zum Inhalt der Streitverkündung in Hauptsacheverfahren wird auf die Streitverkündungsschrift vom 20.10.2014 Bezug genommen.

In dem Hauptsacheverfahren erhob der Architekt die Verjährungseinrede. Weil der Schadensersatzanspruch der Bauherrin (nur) wegen der Verletzung von Pflichten des Architekten bei Leistungen entsprechend der Leistungsphase 9 nicht verjährt und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch begründet war, schloss der Architekt mit der Bauherrin am 21.12.2018 einen Vergleich, in dem er sich zur Zahlung von 225.000 EUR und zur Tragung von 60% der Kosten des Rechtsstreits verpflichtete. Die Klägerin zahlte aufgrund des Vergleichs 188.270,49 EUR an die Bauherrin.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen, des streitigen Parteivortrags, der in erster Instanz gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe wird gemäß § 540 ZPO auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen, durch die das Landgericht die Klage abgewiesen hat.

Die Klägerin hat gegen dieses Urteil unbeschränkt Berufung eingelegt, die Berufung gegen den Beklagten zu 3 jedoch zurückgenommen.

Im Berufungsverfahren haben die Klägerin und die Beklagte zu 1 alle zwischen ihnen streitgegenständlichen Ansprüche durch einen gerichtlichen Teilvergleich abschließend erledigt.

Gegenüber dem Beklagten zu 2 macht die Klägerin mit ihrer Berufung geltend, das Landgericht habe die Klage zu Unrecht abgewiesen. Ihr stehe gegen den Beklagten zu 2 ein Anspruch auf Zahlung von 58.057,06 EUR aus übergegangenem Recht (§ 86 VVG) aus Gesamtschuldnerausgleich ...

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