Nachgehend

BGH (Urteil vom 16.10.2018; Aktenzeichen XI ZR 45/18)

 

Tenor

In den Fällen des Widerrufs eines auf Wunsch des Verbrauchers einverständlich vorzeitig beendeten Darlehensvertrages scheidet einer Verwirkung des Widerrufsrechts regelmäßig aus, wenn abgesehen von der Vertragsbeendigung auf Initiative des Verbrauchers (hier: nach Ablauf der Zinsbindungsfrist) - wie typischerweise - keine weiteren Umstände ersichtlich sind, auf welche die Bank ein schutzwürdiges Vertrauen aufbauen könnte, der Verbraucher werde von seinem Widerrufsrecht nach Darlehensablösung keinen Gebrauch mehr machen, und die Bank außerdem keine Vermögensdispositionen in ihrem Geschäftsbetrieb getroffen hat, so dass ihr aus der verspäteten Ausübung des Widerrufsrechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des von den Beklagten erklärten Widerrufs bezüglich zweier auf den Abschluss von Darlehensverträgen gerichteter Willenserklärungen. Die Klägerin begehrt Feststellung, dass die Darlehensverträge nicht in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt worden sind.

Am 04./08.11.2002 schlossen die Parteien einen Darlehensvertrag über 128.375 EUR mit der Nr. ... (Anlage K 1) und am 21./25.10.2004 einen Darlehensvertrag über 12.500 EUR mit der Nr. ... (Anlage K 2) zur Finanzierung des Neubaus eines Zweifamilienhauses. Die Beklagte erteilte den Klägern jeweils unterschiedliche formularmäßige Widerrufsbelehrungen. Die zum Darlehen 2002 erteilte Information lautete auszugsweise:

WIDERRRUFSBELEHRUNG (Immobilien)

Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Der Lauf der Frist beginnt einen Tag nachdem Ihnen eine Vertragsurkunde, Ihr schriftlicher Antrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder Ihres Antrag und die Belehrung zur Verfügung gestellt werden, jedoch nicht vor Abgabe Ihrer auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs ...

(...)

Widerrufsfolgen

Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf. gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben. ...

Finanzierte Geschäfte

Widerrufen Sie diesen Darlehensvertrag, mit dem Sie Ihre Verpflichtungen aus einem anderen Vertrag finanzieren, so sind Sie auch an den anderen Vertrag nicht gebunden, wenn beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstückes oder grundstücksgleichen Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrages sind oder wenn wir über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinausgehen und Ihr Grundstücksgeschäft durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördern, indem wir uns dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu eigen machen, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projekts Funktionen des Veräußerers übernehmen oder den Veräußerer einseitig begünstigen. Können Sie auch den anderen Vertrag widerrufen, so müssen Sie den Widerruf gegenüber Ihrem diesbezüglichen Vertragspartner erklären.

Die zum Darlehen 2004 gegebene Widerrufsbelehrung lautete auszugsweise wie folgt:

"! WIDERRUFSBELEHRUNG !

Darlehensnehmer ...

Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit dem Erhalt dieser Belehrung. (...)

(...)

Finanzierte Geschäfte

Widerrufen Sie diesen Darlehensvertrag, mit dem Sie Ihre Verpflichtungen aus einem anderen Vertrag finanzieren, so sind Sie auch an den anderen Vertrag nicht gebunden, wenn beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. ..."

Nach Ablauf der Zinsbindungsfristen haben die Beklagten die Darlehen zum 30.11.2012 (Darlehen 2002) und zum 31.08.2013 (Darlehen 2004) abgelöst. Mit Anwaltsschreiben vom 18.12.2015 (Anlage K 3) machten die Beklagten die Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrungen geltend, erklärten den Widerruf ihrer Vertragserklärungen und errechneten unter Aufrechnung der einander gegenüber stehenden Rückabwicklungsansprüche Saldoforderungen der Klägerin in Höhe von 46.739,95 EUR und 6.392,91 EUR.

Die Klägerin hat erstinstanzlich negative Feststellung begehrt, dass sich die Darlehensverträge infolge Widerrufs nicht in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt haben.

Die Beklagten haben erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, für die Klage bestehe kein Feststellungsinteresse, nachdem sie ihre Ansprüche nicht weiter verfolgt hätten. Allerdings seien die ihnen erteilten Widerrufsbelehrungen schon mangels hinreichend deutlicher Gestaltung nicht korrekt. Durch überflüssige Zusätze seien sie auch inhaltlich nicht ordnungsgemäß. Der Beginn der Widerrufsfrist werde in beiden Widerrufsbelehrungen unzutreffend angegeben. Der Verbraucher werde auch nicht über die Rückgewährfrist informiert.

Wegen der weiteren tatsächlichen F...

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