Leitsatz (amtlich)

Ein Amtsträger, der bei der Bestätigung einer Unterschrift unter ein Testament den Anschein erweckt, er habe eine Prüfung vorgenommen und die Testamentserrichtung gehe in Ordnung, handelt pflichtwidrig, selbst wenn er zuvor darauf hingewiesen hat, dass er nicht befugt ist, ein Testament zu beurkunden.

 

Normenkette

BGB § 839

 

Verfahrensgang

LG Baden-Baden (Urteil vom 21.05.2010; Aktenzeichen 2 O 399/09)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Baden-Baden vom 21.5.2010 - 2 O 399/09 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Amtshaftungsansprüche geltend.

Die Klägerin und ihr inzwischen verstorbener Ehemann, Karl-Heinz L, waren Eigentümer einer Wohnung in der F-straße 1,... Diese war seit 1984 an Hartmut K vermietet. Karl-Heinz L setzte im Sommer 2006 handschriftlich den Text des Testaments ohne Datumszusätze sowie Beglaubigungsvermerk auf (Testament vom 04. bzw. 5.10.2006, Anlage K 3). Mit diesem Schriftstück gingen Herr L und Herr K am 4.10.2006 in das Rathaus von S zu Ortsvorsteher B. Nach einem eingangs geführten Gespräch las Ortsvorsteher B den Text des von Herrn L geschriebenen Testaments vor, woraufhin Herr K die Datumsangaben änderte. Nach der Unterzeichnung des Schriftstücks durch Herrn K brachte Ortsvorsteher B den Vermerk auf dem Testament auf, dass die Unterschrift vor ihm vollzogen worden sei, steckte das Schriftstück in einen Briefumschlag, den er verschloss und über den Klebefalz zweimal das Dienstsiegel siegelte.

2008 wurde Hartmut K tot in seiner Wohnung aufgefunden. Am 28.3.2008 stellte das Nachlassgericht die Nichtigkeit des Testaments fest und ordnete Nachlasspflegschaft an (Beschluss des Notariats B vom 28.3.2008, Anlage K 5). Ausweislich des vorläufigen Nachlassverzeichnisses vom 15.7.2008 belief sich die Höhe des Nachlasses am 15.7.2008 auf 140.957,73 EUR (Anlage K 6) sowie am 13.3.2009 auf 119.185,18 EUR (vorläufiges Nachlassverzeichnis vom 13.3.2009, Anlage K 12).

Die Klägerin hat vorgetragen, Ortsvorsteher B habe bei ihrem verstorbenen Ehemann und Herrn K durch die Vornahme der Unterschriftsbestätigung auf dem Testament sowie durch die Abgabe von weiteren Erklärungen hinsichtlich Änderungsmöglichkeit und Widerrufsmöglichkeit des Testamentes sowie der Anbringung des Amtssiegels auf dem Umschlag des Testamentes den Eindruck hervorgerufen, Herr K hätte bei ihm ein rechtswirksames Testament errichtet. Schließlich habe er auch den zugrunde liegenden Sachverhalt nicht vollständig ermittelt und dennoch den Eindruck erweckt, dass Herr K ein wirksames Testament durch bloße beglaubigte Unterschrift errichten könne. Nachdem dieses nichtig sei, sei der Klägerin ein Schaden durch Verlust ihres Erbrechts in Höhe des Nachlasses entstanden. Ein weiterer Schaden sei ihr durch die Bezahlung von Rechtsanwaltskosten im Rahmen der außergerichtlichen Geltendmachung ihrer Ansprüche entstanden.

Die Klägerin hat beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 102.375,18 EUR zu bezahlen nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.11.2009.

2. Für den Fall, dass dem Antrag zu 1. stattgegeben wird, beantragen wir festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den über den Betrag von EUR 102.375,18 hinausgehenden Schaden, der der Klägerin infolge der Amtspflichtverletzung entstanden ist, zu ersetzen.

Die Beklagte hat beantragt:

Die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass keine Amtspflichtverletzung vorliege, da zwischen Herrn L, Herrn K und Ortsvorsteher B nie die Rede davon gewesen sei, dass mit Hilfe des Ortsvorstehers B ein Testament errichtet werden sollte. Es sei nur darum gegangen, die Echtheit der Unterschrift des Herrn K zu bestätigen bzw. zu beglaubigen. Herr L habe den Ortsvorsteher B auch in dem Glauben gelassen und bestärkt, dass das Testament vom Erblasser persönlich geschrieben worden sei. Auch das Vorlesen des Testamentes stelle keine notarielle Tätigkeit dar. Schließlich sei die Versiegelung des Umschlages nur deswegen vorgenommen worden, damit das Kuvert nicht von Unbefugten geöffnet werden könne.

Das LG hat mit Urteil vom 21.5.2010, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, nach Vernehmung der Zeugen B und W der Klage teilweise i.H.v. 76.781,39 EUR und der Feststellungsklage ebenfalls zum Teil (75 %) statt gegeben. Der Ortsvorsteher der Beklagten habe mit der Unterschriftsbestätigung auf dem Testament und der Versiegelung des Umschlags des Testaments des Erblassers K gegen seine Verpflichtung, vollständige und unmissverständliche Auskünfte zu erteilen, verstoßen sowi...

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