Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, wann eine schädigende Handlung des Geschädigten nicht von der Amtspflichtverletzung herausgefordert worden ist.
Normenkette
BNotO § 19
Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 10.11.2008; Aktenzeichen 16 O 151/07) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 10.11.2008 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des LG Münster wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten aus seiner früheren notariellen Amtstätigkeit auf Schadensersatz in Anspruch, weil er bei der Beurkundung eines Testaments ihres verstorbenen Ehemannes die Bindungswirkung einer vorausgegangenen Verfügung von Todes wegen übersehen habe und dadurch die zu ihren Gunsten erfolgte Anordnung eines Nießbrauchsvermächtnisses unwirksam gewesen sei.
Der verstorbene Ehemann der Klägerin, Herr U X, war in erster Ehe verheiratet mit Frau N2 X. Aus dieser früheren Ehe sind drei Kinder hervorgegangen.
Frau N2 X und Herr X hatten am 10.10.1982 ein handschriftliches Testament mit folgendem Inhalt unterzeichnet:
Wir die Eheleute U X und N2 X setzen uns gegenseitig zu Voll-Erben ein. Dies gilt für unseren gesamten Besitz einschließlich der Wohnungseinrichtungen etc. Für den Fall des Ablebens, das heißt nach dem Tode des zuletzt Verstorbenen verfügen wir, dass unsere Kinder ... unser Erbe antreten sollen. (...) Frau N2 X verstarb am 12.10.1982. Einen Monat nach dem Tode seiner Ehefrau wurde Herr X vom AG - VormG - Gronau angeschrieben und um Vorlage eines Vermögensverzeichnisses gebeten bezüglich der von den Kindern nach dem Tode ihrer Mutter angetretenen Erbschaft.
Herr X erwiderte dem AG Gronau mit Schreiben vom 9.12.1982:
... darf ich Ihnen mitteilen, dass meine Frau und ich ein Testament ausgefertigt haben, in dem jeder den anderen Partner zum Vollerben ernennt. Daraus geht meines Erachtens hervor, dass den Kindern im Augenblick nur ihr bisher persönliches Eigentum zusteht und es mir in meinem später zu erstellenden Testament obliegt, meine drei Kinder gleichmäßig zu bedenken.
Am 19.1.1991 heiratete Herr X die Klägerin. Sie begannen mit der Planung eines neuen gemeinsamen Hauses an der H-Straße 31 in H.
Weil das Widerstände bei seinen leiblichen Kindern hervorrief, sah sich Herr X zehn Jahre nach dem Tode seiner ersten Ehefrau veranlasst, das gemeinschaftliche Testament vom 10.10.1982 am 22.9.1992 bei dem AG Gronau eröffnen zu lassen und gleichzeitig für sich einen Erbschein zu beantragen. Die leiblichen Kinder von Herrn X erhoben in dem beim AG Gronau anhängig gewordenen Verfahren 5 VI 121/92 Einwände gegen die Erbscheinserteilung, weil es sich in Wahrheit nicht um ein gemeinschaftliches Testament gehandelt habe und ihre Mutter aufgrund einer hohen Schmerzmitteldosierung nicht mehr testierfähig gewesen sei. Diese Einwände wurden später zurückgestellt und der Erbschein antragsgemäß für Herrn X erteilt.
Im Jahre 1993 bat Herr X den Beklagten um Einsichtnahme in die beim AG Gronau unter 5 VI 121/92 anhängige Nachlassangelegenheit. Nachdem eine Notariatsangestellte des Beklagten die Verfahrensakte eingesehen hatte, teilte der Beklagte Herrn X mit, dass die Angelegenheit sich einvernehmlich erledigt habe.
Am 17.3.1997 suchte Herr X den Beklagten auf, um ein notarielles Testament zu errichten. Der Beklagte beurkundete daraufhin zu seiner UR-Nr. .../97 Folgendes:
Der Erschienene erklärte vorab:
Aus meiner ersten Ehe mit meiner verstorbenen Ehefrau sind als Kinder hervorgegangen:
a) S C, geb. X
b) N3 X
c) Q A, geb. X
Ich bin in zweiter Ehe verheiratet mit Frau I X ..., wir leben im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Aus dieser Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. Aus der ersten Ehe meiner Ehefrau stammen jedoch die Kinder:
a) L, geb.
b) I2, geb.
Dieses vorausgeschickt, bat der Erschienene um die Beurkundung eines Testaments. An der unbeschränkten Geschäfts- und Testierfähigkeit des Erschienenen bestanden keine Zweifel, auf die Hinzuziehung von Zeugen wurde verzichtet. Der Erschienene erklärte sodann seinen letzten Willen wie folgt:
§ 1
Zu meinen Erben bestimme ich meinen Sohn N3 X und meine Tochter Q A zu je 1/2 Anteil, ersatzweise jeweils deren Kinder ...
§ 2
Meine Ehefrau I X erhält als Vermächtnis das Nießbrauchsrecht mit gesetzlichem Inhalt an meinem im Grundbuch des AG Gronau von F Bl. ... verzeichneten 2-Familien-Haus ... H-Straße ..., das unverzüglich nach meinem Tode im Grundbuch einzutragen ist und zu dessen Löschung die Vorlage der Sterbeurkunde genügen soll.
Ich bevollmächtige hiermit meine Ehefrau unwiderruflich mit Wirkung für meine Erben und befreit von den Beschränkungen des § 181 BGB, nach meinem Tode alle Erklärungen ggü. dem Grundbuchamt und jedermann abzugeben und entgegenzunehmen, die zur Eintragung des vorstehend vermachten Nießbrauchsrechts im Grundbuch erforderlich sind.
§ 3
Meine Tochter Frau S X erhält von meinen Erben ihren gesetzlichen Pflichtteil.
§ 4
Sollte sich in meinem Nachlass Schmuck meiner Ehefrau befinden, so...